Die Deutsche Hospizstiftung schlägt Alarm: Eine einfache Beerdigung mit Grabstein und Gebühren kostet in Deutschland – ohne spätere Grabpflege - durchschnittlich 7000 Euro. Für den Vorsitzenden der Deutschen Hospizstiftung, Eugen Brysch, verzichten deshalb viele Menschen auf den für sie eigentlich sehr wichtigen Ort zum Trauern. Anonyme Beerdigungen seien die zwangsläufige Folge.
Doch es geht auch preiswerter, um nicht zu sagen billiger. Im Internet tobt ein regelrechter Preiskampf zwischen Anbietern von Billigbestattungen. Ab 429 Euro ist bereits eine "würdevolle und günstige Bestattung" zu haben. Dieses Angebot – inklusiv 19 Prozent Mehrwertsteuer – ist freilich nur über das Internet buchbar. Diese Preise verstehen sich freilich ohne Trauerfeier mit CD-Musik, Schmuckurne und Blumen. Selbstverständlich auch ohne Friedhofsgebühren.
Luther war es egal: "In der Elbe oder im Walde... "
Und diese werden immer teurer. Denn die meisten Friedhofssatzungen der Städte und Gemeinden sehen vor, dass sich der Friedhof finanziell selbst tragen muss. Da laut Umfragen heute schon fast zwei Drittel der Menschen in den Städten die Feuerbestattung wählen, werden die Freiflächen auf den Friedhöfen immer größer. Doch sie müssen gepflegt werden, soll es ihnen nicht so gehen wie einst Martin Luther, der angesichts der verwilderten Wittenberger Friedhofs stöhnte, für ihn sei es nicht von Belang, "ob er ynn der Elbe oder ymm walde" begraben werde.
Der Preiskampf schlägt sich freilich auch unter den Anbietern von Hilfsmitteln für Friedhofsverwaltungen nieder. Etwa im Anzeigenteil der jüngsten Vierteljahreszeitschrift für Kirche und Friedhof "Die Auslese": empfiehlt sich eine Firma als "Im Friedhof die Nummer 1" , eine andere für ihre einfachen, robusten und preiswerten Kipp-Testern für Grabsteine und eine Online-Friedhofsverwaltung kann 30 Tage kostenlos getestet werden.
Kein Wunder, dass große Versicherungskonzerne den früher vor allem im ländlichen Bereich tätigen solidarischen Grabhilfen mit angeblich günstigen Angeboten Konkurrenz machen. Ab fünf Euro im Monat, so ein bundesweiter Versicherungskonzern unter der Überschrift "Meine Beerdigung ist so gut wie bezahlt", der bereits den vollen Versicherungsschutz schon nach kurzer Aufbauzeit garantiert.
Das Geschäft konzentriert sich auf Feuerbestattungen
Rund 800.000 Menschen sterben pro Jahr in Deutschland. Das verspricht ein gutes Geschäft. Nicht mehr für die Steinmetze, da wertvolle Grabsteine immer weniger nachgefragt werden. Auch nicht mehr für die Friedhofsgärtner, da immer mehr Menschen in aller Stille beigesetzt werden und man von Blumenspenden Abstand zu nehmen bittet. Gleiches gilt für die Zeitungen, da viele Verstorbenen aufgrund ihres hohen Alters nur noch wenige Verwandte und Bekannte haben, lohnt sich die Todesanzeige nicht mehr.
Also konzentriert sich das Geschäft mit dem Tod vor allem auf die Feuerbestattung, die katholischen Christen seit 785 durch Karl dem Großen unter Androhung von Strafe verboten und erst seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1963 gestattet ist. Das hatte viel mit dem traditionellen Glauben von der leiblichen Auferstehung der Toten zu tun. Für Protestanten gehört die Bestattung nicht zu den Adiaphora, also den Dingen, die heilsnotwendig sind.
Wurden vorrefomatorisch die Menschen auf Kirchhöfen beerdigt, um den in der Kirche verehrten Reliquien nah zu sein, wollte Martin Luther es angesichts der Pest den Ärzten überlassen, ob die Toten nicht besser vor den Toren der Stadt beerdigt würden. In den zurückliegenden Jahren wird immer mehr der in Deutschland geltende Friedhofszwang durch die große Nachfrage nach Feuerbestattung in Frage gestellt. Die einen wollen auf hoher See bestattet werden, die anderen nach Möglichkeit im Weltall. Auch die Geschmacklosigkeit kennt offensichtlich keine Grenzen mehr. Nicht nur in den USA lässt man die Asche verstorbener Angehöriger nicht nur im eigenen Garten vergraben oder im Haus aufstellen, sondern auch zu einem Edelstein für den Finger pressen.
Vorteil der Urne: Keine Grabpflege
Es sind nicht nur die hohen Kosten für die Erdbestattung mit anschließender Grabpflege, die zunehmend auf Genossenschaften von Friedhofsgärtnereien übertragen wird, die viele Menschen den Wunsch nach einer Feuerbestattung äußern lassen: Man will den Angehörigen, die oft nicht mehr am Ort wohnen, nicht mit der Grabpflege belasten. Oder es sind keine nahen Angehörigen mehr vorhanden und man will die Erben nicht mit hohen Beerdigungskosten belasten. Hier liegen auch die Gründe für die zunehmende Zahl anonymer Bestattungen (Johannes Calvin übrigens hat sich in Genf anonym bestatten lassen, um Wallfahrten zu seinem Grab zu verhindern).
Die ursprüngliche kirchliche Ablehnung der von einem Schweizer Geschäftsmann auch in Deutschland eingeführten FriedWälder ist zwischenzeitlich aufgegeben worden. Man fürchtete, dadurch werde einem neuen naturreligiösen Denken der Weg bereitet. Inzwischen gibt es in den FriedWäldern die Möglichkeit, Namensschilder mit christlichen Symbolen anzubringen, Gottesdienste abzuhalten. Sie sind inzwischen zu parkähnlichen Stätten der Ruhe und Besinnung geworden. Aber auch die großstädtischen Friedhöfe werden immer mehr zu Parks der Ruhe und Besinnung.
Auf vielen städtischen Friedhöfen gibt es inzwischen auch Wiesenflächen für anonyme Beerdigungen, die oft von den Kommunen bezahlt werden, sowie für das Verstreuen der Asche Verstorbener. Außerdem halten Kommunen die unterschiedlichsten Möglichkeiten für Urnenbestattungen vor – von der Erdbestattung der Urne (meist mit einer Ruhezeit von 20 Jahren) bis zur Urnenaufbewahrung in einem Kolumbarium.
Für viele Angehörige ist der Gang zum Grab wichtig
Inzwischen gibt es in Deutschland auch zehn nicht mehr oder nicht mehr vollständig gebrauchte Gotteshäuser beider Konfessionen, die als Kolumbarien umgebaut worden sind. Früher stand die Kirche als letzte Ruhestätte lediglich hohen geistlichen und/oder weltlichen Würdenträgern offen. Gotteshäuser als Kolumbarien sind also alles andere als etwas Ungewöhnliches, auch wenn sie noch immer als Ausnahme verstanden werden.
Doch inzwischen zeigt sich, dass wieder der Wunsch nach einem Ort der Trauer wächst. Namenlose Gräber stehen diesem Wunsch entgegen. Verstreute Totenasche erst recht. Vor allem im ländlichen Raum hat sich der Brauch erhalten, am Totensonntag (im Volkskirchlichen hat sich der Name Ewigkeitssonntag für den letzten Sonntag im Kirchenjahr nicht durchgesetzt) mit einem Gottesdienst der Verstorbenen zu gedenken. Und die meisten Menschen legen Wert darauf, wenigstens am Totensonntag am Grab ihrer verstorbenen Familienangehörigen und Freunde zu verweilen, Blumen oder Kränze als Ausdruck des Dankes und Gedenkens niederzulegen.
Wie möchte beispielsweise der Bonner evangelische Pfarrer und Vorsitzende des regionalen Arbeitskreises Christlicher Kirchen (ACK), Ernst F. Jochum, beerdigt werden? "Schlicht und einfach in einem Sarg mit Namen auf einem Grabstein." Und der Berliner Religionswissenschaftler Hartmut Zinser? "Ich will ordentlich unter die Erde gebracht werden, ohne neumodischen Aufwand, sondern ganz traditionell."
K. Rüdiger Durth lebt als freier Autor in Bonn und Berlin und ist langjähriger Beobachter des politischen und kirchlichen Geschehens in Deutschland.