In einem "Brief an Gott" schreibt Carolin George: "Du hast einfach nicht locker gelassen. Du hast mir Türen gezeigt, die offen stehen, wenn andere zugefallen waren." Vor knapp einem halben Jahr hat sich die Journalistin aus Lüneburg konfirmieren lassen, einen Tag nach ihrem 42. Geburtstag. In dem Festgottesdienst in der Lüneburger St. Johanniskirche hat sie den Brief vorgelesen: "Ich freue mich wahnsinnig, dass wir uns endlich kennengelernt haben. Lass uns weiter so machen."
Antwort und Identität
"Eine Rekordkonfirmandin" nannte Superintendentin Christine Schmid die Journalistin in der Feier, in der sie ihr Gottes Segen zusprach und als äußeres Zeichen ein Kreuz um den Hals legte. Dass sich jemand Jahrzehnte nach der Taufe als Säugling zu diesem Schritt entschließt, ist auch für die Theologin, die seit mehr als zehn Jahren den evangelischen Kirchenkreis Lüneburg mit knapp 78.000 Christen leitet, eine seltene Erfahrung. "In Familien von Russlanddeutschen, die noch dort getauft wurden, haben manche als Erwachsene in Deutschland ihre Konfirmation nachgeholt", sagt Schmid.
Andreas Behr hat ganz ähnliche Beobachtungen gemacht. Der Pastor lehrt als Dozent für Konfirmandenarbeit am Religionspädagogischen Institut der hannoverschen Landeskirche in Loccum bei Nienburg. Gelegentlich seien bei der Übersiedlung der Menschen aus den früheren Sowjetstaaten Papiere verloren gegangen, und mit der Konfirmationsurkunde wünschten sie sich einen Nachweis ihrer Zugehörigkeit, sagt er.
Menschen, die als Kind getauft wurden, gehörten nach dem Verständnis der lutherischen Kirchen zur christlichen Gemeinschaft, auch wenn sie sich später nicht konfirmieren lassen, erläutert Behr. Eine Konfirmation sei für Erwachsene darum eigentlich gar nicht mehr nötig. "Wenn jemand sich dennoch konfirmieren lassen möchte, gibt es dafür meist persönliche Gründe." Statistiken würden auch deshalb darüber nicht geführt.
Erwachsenen-Konfirmation wird beliebter
Wer als Erwachsener diesen Wunsch hat, will nach Ansicht des Experten diesen Entschluss verbindlich machen und öffentlich. In Behrs Forum zum Thema schreiben Kollegen: "Konfirmation von Erwachsenen wird beliebter, keine Frage." Dabei wollten manche nachholen, was in der Jugendzeit unterblieb, wegen der Pubertät, aus familiären Gründen, wegen eines Umzugs.
Die in Hamburg aufgewachsene Carolin George konnte mit dem Gottesbild ihrer Kindheit und Jugend gar nichts anfangen. Gott wurde ihr als Strippenzieher beschrieben, der entscheidet, ob es irgendwo Krieg gibt, Unfälle, Krankheiten oder Tod, Glück oder Erfolg. "Dieses Bild widersprach allem, was ich mir vorstellen konnte", sagt sie. "Mir war klar, ich möchte nicht konfirmiert werden." Als Jahre später mit dem ersten Arbeitsvertrag in ihren Steuerunterlagen stand, sie sei "evangelisch-lutherisch", war sie ein wenig verblüfft und korrigierte das. "Als Kirchenmitglied habe ich mich nie empfunden."
Durch ihren Beruf begegnete sie später Pastoren und Pastorinnen wie Christine Schmid, die ein anderes Glaubensverständnis vermittelten. Dann kam der Auftrag für ein Buch, in dem George zusammen mit einer Kollegin die Kirchen und Kapellen der Region porträtierte. "Mit Staunen habe ich festgestellt, wie wohl ich mich gerade in den kleinen Kapellen fühle, wie ich zur Ruhe kam", erzählt sie.
Neugierig geworden ging sie in Gottesdienste. "Da habe ich Dinge gehört, die ich sonst im Alltag nicht höre." Von Gottes Liebe sei die Rede gewesen, davon, dass er Menschen so annehme, wie sie sind. Das Gefühl, getragen zu werden - auch von Freunden und Familie - half ihr, als mit einer Partnerschaft ein Lebensplan scheiterte.
Mit der Konfirmation wollte sie auch den nahe stehenden Menschen deutlich machen, was es ihr bedeutet, als Erwachsene den christlichen Glauben für sich zu entdecken: "Ein neuer Lebensabschnitt hat begonnen." Erwartet habe sie Skepsis, die Frage: "Was ist denn mit dir los?", erzählt sie. "Das Gegenteil war der Fall." Und auf den "Brief an Gott" antwortete Superintendentin Schmid bei der Feier in dessen Namen: "Ich habe gern auf dich gewartet."