Es ist eine der größten Baustellen Deutschlands: das Franklin-Viertel in Mannheim. Die frühere amerikanische Wohnsiedlung wird zu einem modernen Stadtteil umgebaut. Von 2025 an sollen dort mehr als 9.000 Mannheimer leben. Auf 144 Hektar Fläche sind zahlreiche Gerüste aufgebaut, Kräne ragen in den Himmel und Schilder mit "Musterwohnung" prangen weithin sichtbar an Zäunen.
Die Atmosphäre mutet etwas bizarr an. Die Fußwege sind bessere Geröllhalden, es gibt noch keinen Supermarkt - aber bereits mehr als 700 Menschen leben dort. Und von Anfang an, seit Herbst 2016, als noch viel mehr Kaninchen über das Gelände hoppelten, gab es dort einen grünen rostigen Bauwagen der katholischen und evangelischen Kirche. "Wir wollten signalisieren, 'Gott ist übrigens schon da"', sagen der evangelische Pfarrer Bernd Brucksch und der katholische Pastoralreferent Richard Link.
Ein ökumenischer Bauwagen
Regelmäßig schlendern sie gemeinsam durch das Viertel und halten nach neuen Namen auf den Klingelschildern Ausschau. Die Reaktionen auf den ökumenischen Besuch seien fast immer positiv. "Wir hören dann 'Ja, gibt's denn so was!' oder 'Wie schön, darauf haben wir lange gewartet'", erzählt Brucksch, der mit seinem Vollbart, Sonnenbrille und tiefer rauchiger Stimme auch Sänger einer Rockband sein könnte.
Inzwischen haben die Kirchenmänner ein ehemaliges Klassenzimmer für ihre Gottesdienste, aber die "Bauwagen-Kirche" nutzen sie weiterhin. "Wir fahren damit beispielsweise zu Sport- und Kulturveranstaltungen", berichtet Link. Dort stehen sie für Gespräche bereit und bieten Segnungen an. "Das wird gut angenommen", sagt er. Inzwischen habe die Bauwagen-Kirche in der Region auch schon Kultstatus. Besucher fragten gezielt danach, verschiedenen Medien haben sie das ungewöhnliche Gotteshaus bereits präsentiert.
Dass weder die Bauwagen- noch die Klassenzimmer-Kirche den klassischen Vorstellungen entsprechen, stört die Kirchenmänner nicht. "Die Bauwagen-Kirche ist für uns ein Symbol, wie Kirche auch sein kann - rostig, zugig und nicht perfekt", sagt Link. Zudem habe er festgestellt, dass man "den Menschen gar nicht offensichtlich genug begegnen könne." Daher stellt er seinen Schreibtisch im Sommer auch gern mal vor den Bauwagen und arbeitet dort.
Stadtentwicklung, Zivilgesellschaft und die Rolle der Kirche
Der Mannheimer Dekan Ralph Hartmann sagt, dass Franklin für ihn einen Paradigmenwechsel symbolisiere. Früher sei Kirche oft eine mit dem Staat vergleichbare Institution gewesen. Inzwischen verliere sie aber an Macht und Mitgliedern, so dass es für die Zukunft eine neue Vision gebe. "Wir wollen ein zivilgesellschaftlicher Player sein, der gemeinsam mit anderen, die ähnliche Werte haben, Gesellschaft gestaltet", erklärt er. Daher schätze er es, dass es in Franklin keine vorhandenen Traditionen und Strukturen gibt. "Wir sehen das Stadtviertel als Laboratorium, wir werden machen, was möglich ist", sagt der Dekan.
Und weitere Möglichkeiten zur Entfaltung des Glaubens gibt es in Franklin. Auf dem Gelände steht die Franklin Church, eine frühere Kirche der amerikanischen Soldaten. Die evangelische und katholische Kirche würden sie gerne mieten und als "Ort der Begegnung" auch anderen Religionen zur Verfügung stellen. Dafür müsse aber zunächst Geld für eine Renovierung zur Verfügung gestellt werden, sagt Brucksch. "Wir müssen schauen, wie es alles weitergeht", erklärt er. Vieles sei denkbar.