Richter Peter Kidd nannte das Verhalten des 77-Jährigen "atemberaubend arrogant". Pell war bereits im Dezember von einer Geschworenenjury schuldig gesprochen worden, während seiner Zeit als Erzbischof von Melbourne in den 1990er Jahren zwei damals 13 Jahre alte Chorknaben missbraucht zu haben.
Der Richter bezeichnete Pells Verhalten bei der Verkündung des Strafmaßes als "schamlos und gewaltsam". Den Umstand, dass die Übergriffe vor den Augen des jeweils anderen Jungen als Zeugen begangen wurden, wertete Kidd als weitere Erniedrigung der Opfer. Pell habe dabei ein Vertrauensverhältnis und seine Machtposition missbraucht.
Pell habe die beiden Opfer aufgefordert, still zu sein, als sie weinten, hieß es weiter. "Die Schamlosigkeit Ihres Verhaltens ist bezeichnend für Ihr Verständnis von Autorität und Macht im Bezug auf die Opfer", sagte der Richter. Das im Vergleich zum Höchstmaß von 50 Jahren Haft geringe Strafmaß begründete er mit dem Hinweis auf Pells Alter und dessen Gesundheitsprobleme.
Während der Richter in Anwesenheit Pells in seiner rund halbstündigen Verkündigung des Strafmaßes eine detaillierte Beschreibung der Tathergänge verlas, betonte er zugleich, das Urteil gelte nur für die vorliegenden Anklagen. Es gehe nicht um Vorwürfe, die australische Kirche habe Missbrauch in ihren eigenen Reihen nicht geahndet.
Kidd verurteilte ausdrücklich eine während des Verfahrens gegen Pell veranstaltete "Hexenjagd". Der 77-Jährige muss dem Richter zufolge mindestens drei Jahre und acht Monate in Haft verbringen, bevor er einen Antrag auf Hafturlaub stellen kann.
Pell hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Das Berufungsverfahren ist für Anfang Juni angesetzt. Die Urteilsverkündung verfolgte der einst ranghöchste Kirchenvertreter des Landes australischen Medien zufolge in einem schwarzen Hemd ohne Priesterkragen. Der Kurienkardinal ist der bislang ranghöchste katholische Geistliche, der wegen Missbrauchs verurteilt wurde. Als Finanzchef stand er in der Hierarchie des Vatikans auf Platz drei.
Der Vatikan kündigte vor wenigen Tagen Untersuchungen der für Missbrauchsfälle zuständigen Glaubenskongregation im Zusammenhang mit den Vorwürfen an, für die Pell verurteilt wurde. Vatikansprecher Alessandro Gisotti erklärte dabei überdies, Pell sei nicht mehr Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats. Dabei machte er nicht die bei Personalentscheidungen des Papstes üblichen Angaben darüber, ob der Kardinal ein Rücktrittsgesuch eingereicht und wenn ja, wann Papst Franziskus dieses angenommen habe.