Auf dem Weg vom Pfarrhaus zur Kirche geht Wilfried Manneke an dem Laternenpfahl vorbei, an den Neonazis immer wieder Hakenkreuze gekritzelt haben. Er streicht über die Rinde eines Baumes, die dünner geworden ist, weil Manneke dort rechtsradikale Schmierereien abgeschrubbt hat. "Auch an der Kirchentür klebten schon Hassbotschaften", sagt der 64-Jährige.
Der Pastor aus Unterlüß gehört zu den Kirchenvertretern in Deutschland, die sich prominent gegen Rechtsextremismus positionieren. Auch von Drohungen lässt Manneke sich nicht abschrecken. Über seine Erfahrungen hat er gemeinsam mit dem Journalisten Christoph Fasel ein Buch geschrieben, das Anfang März erscheint. "Guter Hirte. Braune Wölfe" erzählt auch von dem Schrecken, als Unbekannte im Dezember 2011 einen Brandanschlag auf das Pfarrhaus in dem Heidedorf bei Celle verüben. Nur knapp verpasst der Molotow-Cocktail das Küchenfenster. Mannekes damals sechsjähriger Sohn entdeckt am Morgen die Brandspuren.
Die angekohlte, teilweise sogar geschmolzene Dämmung an der Außenwand ist längst erneuert. "Aber spurlos vorübergangenen ist das an mir nicht", sagt der Pastor. Er weist auf den Feuerlöscher, der seit damals direkt hinter der Haustür hängt. "Ich bin vorsichtiger geworden."
Kampf um die Jugendlichen
Doch aufhören mit seinem Engagement will Manneke auch dann nicht, wenn er am 10. Februar aus der evangelischen Kirchengemeinde Unterlüß verabschiedet wird. Ganz im Gegenteil. Im vergangenen Jahr hat der Zentralrat der Juden in Deutschland den Pastor mit dem "Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage" ausgezeichnet - stellvertretend für diejenigen, die sich den Neonazis entgegenstemmen, wie Laudatorin Margot Käßmann es formulierte. Seitdem wird er häufiger für Vorträge angefragt, mit dem Buch könnte das noch mehr werden. Bis er im Juni in den Ruhestand geht, hat die hannoversche Landeskirche ihn deshalb für drei Monate freigestellt. Mit seiner Familie ist er von Unterlüß bereits in den Nachbarort gezogen.
23 Jahre lang war Manneke Pastor in Unterlüß. "Ich war gern dort", sagt er. Eine Idylle fand er jedoch nicht vor, als er nach zwölf Jahren als Auslandspfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland aus Südafrika zurück in die Heide kam. In Hetendorf, nahe Hermannsburg, wo Manneke am Missionsseminar studiert hat, betrieb damals der rechtsextreme Anwalt Jürgen Rieger ein Schulungszentrum. Manneke schloss sich den Protesten gegen dieses "Heideheim" an - auch weil die Neonazis Jugendliche in die rechte Szene zogen. "Die meisten von ihnen hatte ich kurz zuvor konfirmiert", sagt der Pastor.
Gemeinsam mit der Schule, dem kommunalen Jugendtreff, der evangelischen Jugend, Eltern und der katholischen Gemeinde rief er einen "Runden Tisch" ins Leben, um den Jugendlichen Alternativen aufzuzeigen. Neben dem Harz gilt die Lüneburger Heide als eine Hochburg von Rechtsradikalen in Niedersachsen. Als der NPD-Funktionär Rieger 2009 im nahe gelegenen Faßberg erneut einen Treffpunkt plante, war Manneke unter denen, die sich beharrlich dagegenstellten. Anfangs waren es zwölf, später kamen 350 Menschen zu den Mahnwachen zusammen. Es folgten Hassmails, Briefe, Drohungen im Internet und der Anschlag auf das Pfarrhaus und das Haus von Mitstreitern.
Eingeknickt ist Manneke nicht. Bis heute holt der Pastor mit dem kurzen grauem Schnurrbart regelmäßig das Plakat mit der Aufschrift "Die Heide blüht lila und nicht braun" aus dem Schrank. Er demonstriert, wann immer im Heideort Eschede der Landwirt Joachim Nahtz die rechte Szene auf seinen Hof lädt. Wenn Manneke davon erzählt, sagt er "wir". Gemeinsam mit anderen hat er das "Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus" gegründet. Und er ist Vorsitzender der Initiative "Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus" in der hannoverschen Landeskirche.