Die beiden Frauen an der Pforte des Diakonie-Klinikums Stuttgart sind genervt. Die Station, auf die sie wollen, ist an diesem Tag geschlossen. Behutsam, aber bestimmt geht Roland Krauß (76) auf die Frauen zu und sagt freundlich: "Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo Sie hinmüssen." Nach einem etwa fünfminütigen Weg über mehrere Krankenhaus-Flure setzt er die beiden an der Vertretungs-Station ab. Die Frauen lächeln und bedanken sich. Mit seiner ruhigen, aufmerksamen Art hat Krauß sie besänftigt. Nur eine von vielen Aufgaben seines Ehrenamts. Seit knapp zwölf Jahren engagiert sich der gelernte Maschinenbau-Techniker im Begrüßungsdienst, der in dieser Form in der Region einzigartig ist.
Akkurat gekleidet steht der Mann mit dem gewellten weißen Haar jeden Montag- und Freitagvormittag in der Lobby des Diakonie-Klinikums. Krauß beschreibt Neuankömmlingen den Weg zur Patienten-Aufnahme, hilft beim Aufladen der Telefonkarte oder holt beherzt ein paar Stühle für den Warteraum. Bis zu sieben Kilometer Laufstrecke kommen an so einem Vormittag zusammen, erzählt er. Zu seinem Ehrenamt kam Krauß einst durch den gebrochenen Fuß seiner Frau: "Wir sind damit hierher gekommen und wurden ganz toll empfangen." Der Rentner war so angetan vom Begrüßungsdienst, dass er kurzerhand seine Hilfe anbot.
Viele Ehrenamtliche seien ehemalige Patienten, die etwas zurückgeben wollten, erzählt Anke Selle. Die Frau mit der kraftvollen Ausstrahlung war bis zu ihrer Pensionierung im Herbst 2018 Diakonie-Referentin. Zu ihren Aufgaben zählte die Betreuung von rund 140 Ehrenamtlichen, die sich beispielsweise in der Singgruppe, dem Besuchs- oder Begrüßungsdienst engagieren. Als Selle vor zwölf Jahren die Stabstelle übernahm, habe es bereits eine Art Mini-Begrüßungsdienst gegeben, denkt sie zurück: Eine Diakonisse im Eingangsbereich, "die Grüß Gott und Ade gesagt hat".
Auch Selle war es ein Anliegen, dass "Menschen begrüßt werden in unserem christlichen Krankenhaus und ihnen geholfen wird", betont sie. Jeder, der als Patient durch die Tür komme, egal ob jung oder alt, habe Angst. "Und wenn da einer sagt: 'Kann ich Ihnen helfen?', ist das Medizin hoch acht." Und so sei der Begrüßungsdienst im Laufe der Zeit gewachsen. Aktuell machen rund zwanzig Ehrenamtliche mit, hauptsächlich Rentner. Einige sind sogar älter als 80 Jahre, denn anders als bei anderen Organisationen gibt es beim Begrüßungsdienst keine Altersgrenze. Die Ehrenamtlichen erhalten regelmäßig Schulungen oder werden in Vorträgen über die neuesten medizinischen Entwicklungen informiert.
Für die Koordination des Einsatzplans ist Roland Krauß verantwortlich. Wenn einer krank ist und absagt, springt er auch mal selbst ein. "Ich weiß, was es bedeutet, sich einzubringen", sagt Krauß stolz. In seiner neuapostolischen Gemeinde engagiert er sich seit 41 Jahren. Auch der Begrüßungsdienst ist ihm als Christ wichtig: "Begrüßung heißt ja auch Wertschätzung." In den vergangenen Jahren habe sich im Diakonie-Klinikum einiges verändert. Neue Abteilungen seien gebaut worden, die Wege veränderten sich immer mal wieder und zudem sei die Anzahl der Patienten deutlich höher geworden. Zwischen 60 und 80 Neuaufnahmen kämen mittlerweile zu Stoßzeiten.
"Unsere Arbeit wird sehr geschätzt", betont Krauß. In den Bewertungsbögen der Patienten werde der Begrüßungsdienst immer wieder lobend erwähnt. Auch der Geschäftsführer komme jeden Morgen in der Lobby vorbei. Zwar sei er auch schon mal von Patienten gefragt worden, ob er nichts Besseres zu tun habe und nicht lieber seinen Garten umgraben wolle, erzählt der Rentner schmunzelnd. Doch die meisten bedankten sich bei ihm und seinen Teamkollegen beim Auschecken für die Hilfe. Über eine Frage, die er immer wieder gestellt bekommt, scheint Krauß sich besonders zu freuen: "Arbeiten Sie jetzt fest hier?"