Am 27. Januar, dem internationalen Holocaust-Gedenktag, wird der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.
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Eine Inschrift "Die Toten mahnen" auf einem Gedenkstein in Teltow, Brandenburg.
Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus
Merkel und Maas für neue Wege bei der Geschichtsvermittlung
Zum Holocaust-Gedenktag plädiert Bundeskanzlerin Merkel dafür, das Gedenken künftig neu zu gestalten. "Unsere Erinnerungskultur bröckelt", beklagt Außenminister Maas.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) haben sich zum Holocaust-Gedenktag für neue Wege im Umgang mit der deutschen Geschichte ausgesprochen. Merkel betonte, dass es künftig vor allem darauf ankommen werde "Gedenken neu zu gestalten", weil es immer weniger Zeitzeugen gebe. Verschiedene Formen des Gedenkens, wie die Förderung von Gedenkstätten, aber auch private Initiativen, wie die sogenannten Stolpersteine, würden "in Zukunft an Bedeutung gewinnen", sagte die Bundeskanzlerin in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast.

Von der Erinnerung zur Erkenntnis

Merkel forderte zu einem entschiedenen Vorgehen gegen Antisemitismus und menschenfeindliche Hetze auf. Jeder Einzelne in der Gesellschaft habe die Aufgabe, "null Toleranz gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit, Hass und Rassenwahn" zu zeigen.

Maas schrieb in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag": "Unsere Erinnerungskultur bröckelt, sie steht unter Druck von extremen Rechten." Für junge Menschen sei die Pogromnacht sehr weit entfernt. "Das verändert das Gedenken, schafft mehr Distanz", so Maas. Nötig seien neue Ansätze, um historische Erfahrungen für die Gegenwart zu nutzen. "Unsere Geschichte muss von einem Erinnerungs- noch stärker zu einem Erkenntnisprojekt werden", schrieb der Außenminister.

Größte jüdische Gemeinschaft in NRW

Nach den Worten des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) ist es eine Verpflichtung für alle, die Erinnerung an die Shoa lebendig zu halten. "Die unfassbaren Verbrechen müssen jeder neuen Generation Mahnung und Verpflichtung sein", sagte er am Sonntag am Rande eines Besuchs im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau in Polen mit einer Gruppe junger Juden, Muslime und Christen. Gemeinsam mit einigen der Jugendlichen legte er dort an dem Gedenkort der "schwarzen Wand" einen Kranz nieder. In Nordrhein-Westfalen lebt heute die größte jüdische Gemeinschaft der Bundesrepublik.

Auch der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) rief dazu auf, die Erinnerung an das nationalsozialistische Unrecht wachzuhalten. Dazu gehöre auch eine Gedenkstunde im Bundestag für die homosexuellen NS-Opfer, erklärte der Verband am Sonntag in Berlin. Der Bundestag soll nach dem Willen einer Initiative beim offiziellen Holocaust-Gedenken am 27. Januar 2021 besonders an homosexuelle NS-Opfer erinnern. Das fordert ein Bündnis aus Homosexuellenaktivisten, Historikern, Vertretern von Holocaustüberlebenden und anderen Gruppen. Der LSVD hatte für Sonntag zu einem stillen Gedenken am Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeladen.

EKD: Lebendige Erinnerungskultur

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) rief anlässlich des Holocaust-Gedenktages ebenfalls zu einer lebendigen Erinnerungskultur auf. "Wir dürfen nicht vergessen, was damals in unserem Land Menschen anderen Menschen angetan haben", erklärte der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, am Samstag in Hannover.

Bei einem Gedenken am zentralen Sinti- und Roma-Mahnmal gegenüber des Berliner Reichstagsgebäudes erinnerten Vertreter aus Politik und Gesellschaft an die rund 500.000 von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma. Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und der für Europa zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), kritisierten die andauernde Diskriminierung der ethnischen Minderheit in Deutschland und Europa und das geringe Wissen in der breiten Bevölkerung über den Völkermord.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, warf der AfD vor, "die Existenzgrundlage jüdischer Gemeinden infrage zu stellen". Die AfD wolle ein Ende der Erinnerungs- und Gedenkkultur, sagte die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".



Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach im Deutschlandfunk von Angriffen auf die Erinnerungskultur durch die AfD. Wenn Thüringens AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" fordere, löse das einen sogenannten Schuldabwehrmechanismus aus und eine Schlussstrichmentalität, die an den Grundfesten der Demokratie rüttle, sagte Klein. Die AfD vertrete "viele antisemitische Positionen".

Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch Soldaten der Rote Armee im Jahr 1945. Er wird seit 1996 in Deutschland und seit 2005 international als Gedenktag begangen.