Der Ort, an dem in der Weimarer Republik antidemokratische Kräfte gewirkt hätten, sei zwar zu einem NS-Mythos gemacht worden, sagte Schäuble am Dienstagabend beim Neujahrsempfang der Garnisonkirchenstiftung in Potsdam. Er zeige jedoch auch, dass Menschen fähig seien, aus der Vergangenheit zu lernen und Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. "Das sollte der Anspruch dieses Projekts sein", betonte der Bundestagspräsident.
Die preußische Geschichte, für die die historische Garnisonkirche stehe, zeige, "wie eng wir in Europa verknüpft sind, im Guten, wie im Bösen", sagte Schäuble. Der neue Garnisonkirchturm dürfe kein "nostalgischer Rückzugsraum" werden, sondern könne als "zentraler Erinnerungsort" zu einem Ort werden, "der in die Zukunft weist, für Frieden und Versöhnung". Am historischen Lernort im neuen Garnisonkirchturm müsse Raum für Debatten entstehen, "damit die Garnisonkirche wird, was wir uns von ihr versprechen".
Proteste gegen Empfang
Der Berliner Altbischof und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, sagte, der kritische Blick auf die eigene Geschichte müsse mit Vertrauen in die Zukunft verbunden werden. Die Selbstverpflichtung der Garnisonkirchenstiftung zu Frieden und Versöhnung müsse auch von den Kritikern respektiert werden. Kritiker lehnen den Wiederaufbau vor allem wegen der Militär- und NS-Geschichte der 1945 im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten und 1968 in der DDR abgerissenen Barockkirche ab.
Die Pfarrerin der Nagelkreuzkapelle am historischen Standort der Garnisonkirche, Cornelia Radeke-Engst, würdigte die Unterstützer des Wiederaufbaus. Wer das Bauvorhaben fördere, stifte "die Idee einer Schule der Demokratie" und von "gelebter Versöhnung an diesem wunden Punkt in Potsdam".
An dem Empfang in der Potsdamer Industrie- und Handelskammer gegenüber der Baustelle des Kirchturms nahmen rund 250 Gäste teil. Am Eingang protestierten Mitglieder der evangelischen Potsdamer Profilgemeinde "Die Nächsten" gegen den Wiederaufbau. Die Gemeinde wurde vor einigen Monaten als Antwort auf die Profilgemeinde der Nagelkreuzkapelle gegründet, die den Wiederaufbau unterstützt.
Die Bauarbeiten am neuen Kirchturm haben im Herbst 2017 begonnen. Der Bund fördert das 40-Millionen-Euro-Projekt mit zwölf Millionen Euro. Für den vollständigen Wiederaufbau fehlen noch mehrere Millionen Euro.