Navid Kermani
Foto: epd-bild/Lukas Barth
Der deutsch-iranischer Schriftsteller Navid Kermani wurde mit zahlreichen renommierten Kultur- und Literaturpreisen ausgezeichnet. 2015 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Kermani: Islam-Verbände sprechen nicht für alle Muslime
Der Schriftsteller Navid Kermani begrüßt das Bestreben liberaler Muslime in Deutschland, einen eigenständigen Dachverband zu gründen. "Es ist gut, wenn die Muslime eine Stimme erhalten, die sich nicht von den Verbänden vertreten fühlen", sagte Kermani in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview des katholischen Bonifatiuswerks.

Es sei ein Fakt, dass bislang nur eine Minderheit der Muslime von den vier großen Dachverbänden, darunter etwa der Zentralrat der Muslime oder die eng mit Ankara verbundene Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), vertreten werde. Bei deren Mitgliedern handele es sich um Moscheegänger.

Doch in Deutschland gehe nur eine Minderheit der Menschen mit muslimischen Wurzeln freitags in eine Moschee, sagte der aus dem Iran stammende Publizist, der selbst Muslim ist. "Es ist wichtig, dass sich andere muslimische Stimmen selbstbewusst melden."



Laut Kermani hat sich der Islam im säkularen Deutschland in Teilen geöffnet. "Es gibt ja schon den schwulen Islam, den lesbischen Islam und so fort", sagte er. Die, die sich nicht mehr an die religiösen Regeln hielten, begriffen sich deshalb nicht als Nicht-Muslime. Sie definierten den Islam so für sich, wie sie ihn für richtig hielten, erklärte der Schriftsteller.

Kermani warnte vor dem Einfluss streng konservativer Religionsgemeinschaften. "Es gibt auch die Entwicklung zu einem fundamentalistischen, unpolitischen Islam, einem Gegenbild zu den christlichen evangelikalen Kirchen", sagte er. Diese Pendants zu den evangelikalen Bewegungen gebe es in allen Religionen, etwa auch als Hindunationalismus. Der Einzelne erhalte dabei ein festes Wertesystem, gleichzeitig kapsele sich die Gemeinschaft gegen andere ab. "Das kommt modern und begleitet von den neuen sozialen Medien daher. Aber im Kern ist es fundamentalistisch."