Was macht den Pfarrberuf heute noch attraktiv?
Klaus Neumeier: Es gibt kaum einen vielseitigeren Beruf als das Gemeindepfarramt! Wir begegnen Menschen in allen Lebenssituationen und nach wie vor sind sehr viele für authentische Begegnung und hilfreiche Begleitung dankbar. Auch zeitgemäße Gemeinde- und Gemeinschaftsangebote werden nachgefragt und angenommen. Auch nach bald 30 Jahren Gemeindepfarrdienst habe ich meine Berufsentscheidung zu keiner Zeit bereut.
Wie kann die Hürde der hohen Sprachanforderungen gesenkt werden, ohne das Studium zu entwerten?
Neumeier: Zu verstehen, was das hebräische Wort "ruach" (in etwa "Geist") oder das griechische "kyrios" ("Herr") in der jeweiligen Sprachkultur bedeutet, ist zum Verständnis der Bibel und ihrer Autoren grundlegend. Jeweils ein Semester mit diesen biblischen Sprachen zu gestalten ist wertvoll. Das Gelernte sollte am Ende auch überprüft werden anhand einfacher Übersetzungsleistungen. Diese sollten aber im Examen nicht erneut gefordert werden. Auf Latein kann verzichtet werden. Dies war vor Jahrhunderten die Universalsprache und ist längst als solche durch Englisch abgelöst worden. Dafür müsste die Diskursfähigkeit in theologischen Gegenwartsfragen gestärkt werden. Dies wird wirklich im Gemeindealltag gebraucht!
A propos Sprachen: Auf welche kommunikativen Herausforderung stoßen Pfarrer in der Globalisierung Gegenwart?
Neumeier: Erst letzten Sonntag wurde ich völlig selbstverständlich von Geflüchteten nach dem Gottesdienst auf Englisch angesprochen. Auch die weltweite Ökumene geht nur mit angemessen guten Englischkenntnissen. Die Studie hat ergeben, dass ältere Kolleginnen und Kollegen hier die Jüngeren um deren Sprachgewandtheit beneiden. Sowohl in einer globalen Welt und Ökumene als auch in der modernen wissenschaftlichen Theologie geht nichts mehr an Englisch vorbei.
Wo hat das innerkirchliche Umdenken schon begonnen und wo stockt es bei den erforderlichen Reformbemühungen?
Neumeier: Die Leitungen aller oder der meisten evangelischen Landeskirchen haben erkannt, dass wir auf ein erhebliches Nachwuchsproblem zusteuern. Abwerben oder "Fangpremien" und ähnliches lösen das Gesamtproblem nicht. Es ist zudem erstaunlich, dass gerade die jüngeren Pfarrgenerationen mit ihrer relativ starken Beharrung auf den alten Sprachen die eigene Berufszukunft mit vielen unbesetzten Pfarrstellen ab 2030 erschweren. Das ist unverständlich und bedauerlich. Berufsverbände sollten hier ebenso umdenken wie die theologischen Fakultäten.