"Was kannst du eigentlich so?", fragt das kleine Mädchen im blau gestreiften T-Shirt. "Ich spiele Musik, beantworte Fragen, sage Nachrichten und Wetterberichte an, erstelle To-Do-Listen und noch mehr", sagt die Stimme aus der schwarzen Box. Kleine, mit dem Internet verbundene Lautsprecher wie Amazon Echo, Google Home oder Apple Home Pod zeigen in Werbespots, wie sie den Alltag zu Hause verändern können. Und auch Medienhäuser entdecken mittlerweile die Verbreitung von Inhalten zum Hören über die Smart Speaker.
Laut dem "Internet Trends Report" des US-Investors Kleiner Perkins wird Sprachsteuerung langsam das Tippen ersetzten. Und der BBC-Redakteur Trushar Barot bezeichnet Kinder, die mit der Technologie aufwachsen, schon als "Voice Generation". Er forschte am Nieman Institut für Journalismus der Harvard-Universität zu künstlicher Intelligenz im Nachrichten-Geschäft.
Stärkere Individualisierung von Medienangeboten
Damit die intelligenten Boxen bestimmte Funktionen erfüllen können, müssen Anwenderprogramme installiert werden: Was auf dem iPhone die Apps sind, sind bei Amazons Echo die "Skills" oder bei Google Home die "Actions". Bei der Frage "Alexa, was sind die Nachrichten?" oder "Alexa, was ist meine tägliche Zusammenfassung?" werden dann Meldungen von zuvor ausgewählten Anbietern vorgelesen. Je nach Interessen lassen sich beispielsweise Sportnachrichten über den "Sportschau"-Skill oder regionale und lokale Meldungen in die eigene Nachrichtenzusammenstellung einbauen. Der Trend zur Individualisierung von Medienangeboten setzt sich damit weiter durch.
Für Amazons "Echo" gibt es spezielle Angebote von "Tagesschau" und Radiosendern wie Deutschlandfunk, NDR1, Antenne Bayern, Radio Köln und Radio Hamburg. Über den "Radio Player", der rund 1.400 deutsche Radiowellen bündelt, ist darüber hinaus ein Großteil der deutschen Programme auf dem Echo empfangbar.
Von den Skills verschiedener Regionalzeitungen wie den "Kieler Nachrichten" oder der "Münsterländischen Volkszeitung" kann man sich ebenso die Nachrichten vorlesen lassen wie vom "Handelsblatt", der "Bild", "Spiegel Online" oder der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Mit Audio-Inhalten können wir die Nutzer auch erreichen, wenn sie keine Bildschirme bedienen können: im Auto oder beim Kochen zum Beispiel", sagte Sebastian Matthes, Digital-Chef beim "Handelsblatt", dem Deutschen Journalisten-Verband in Nordrhein-Westfalen.
Machen andere Medienhäuser dem Radio als klassischem Nebenbei-Medium nun also ihre Stellung streitig? Erst mal wohl nicht. Denn Radiomacher sind gegenüber Zeitungshäusern oder Onlineportalen klar im Vorteil: Sie kennen sich im Audio-Bereich aus, können ihre normalen Inhalte schnell passend für die Sprachassistenten aufbereiten und produzieren in der Regel schon Formate, die auf den Lautsprechern nutzbar sind.
Antenne Bayern hat etwa mit dem "Schlaubayer" ein Radio-Quiz für den Ausspielweg angepasst und mit dem Amazon-Skill "Affenbeste Freunde" personalisierte Gutenachtgeschichten für Kinder entwickelt. Man experimentiere aktuell mit verschiedenen Formaten, sagt Sven Rühlicke, Geschäftsleiter im Digitalbereich des Privatradios. Er sieht in den Smart Speakern mehr als nur einen neuen Verbreitungsweg: Es gebe die Chance, überregional Hörer dazuzugewinnen und neue Zielgruppen zu erschließen.
Welche Angebote auf den Sprachassistenten besonders gut funktionieren, ist noch nicht ganz klar. Einer Studie der Initiative "Next Media Hamburg" zufolge sind besonders Service- und Newsangebote wie Wetter- und Verkehrsmeldungen beliebt. Sie würden von 70 Prozent der Befragten genutzt. 58 Prozent gaben an, mit den kleinen Lautsprechern Musik zu hören. Nach Amazon-Angaben gehört der Nachrichten-Skill der "Tagesschau in 100 Sekunden" zu den beliebtesten Angeboten. Nicht immer muss die Welt neu erfunden werden: Antenne Bayern hat die Erfahrung gemacht, dass auch der lineare Radio-Skill, also das Programm, wie es auch über UKW und Digitalradio zu hören ist, besonders gut auf dem Echo-Assistenten läuft.
Nach Angaben der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) gibt es mittlerweile rund 70 Skills von UKW-Programmen des privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Hinzu kommen die Angebote von anderen Onlinemedien und TV-Sendern. Allerdings funktioniert die Verwertung der Inhalte noch nicht überall optimal. Häufig scheinen die sowieso produzierten Meldungen lediglich ins System geschoben zu werden. Bei den Skills einiger Onlinemedien werden nur die Teaser der ursprünglich zum Selbstlesen geschriebenen Texte vorgelesen.
"Ich finde die Nachrichtenstücke teilweise nicht relevant und schwierig konsumierbar", schreibt ein User in den Bewertungen der "Spiegel Online"-Skills bei Amazon. Zu den "Bild"-Skills beschwert sich jemand: "Die Nachrichten hören mittendrin auf."
Audio-Boom braucht Sensibilität
Solchen Anlaufschwierigkeiten zum Trotz: Für die Bezahlung von Medieninhalten kann der Ausspielweg Smart Speaker zum Experimentierfeld werden. Denn möglicherweise ist die Zahlungsbereitschaft für Audioangebote höher als für Texte im Internet. Für Audio-Entertainment-Dienste wie Spotify oder Deezer geben laut einer Befragung des Digitalverbandes Bitkom rund 20 Prozent der Nutzer Geld aus.
Den Nutzern stellen sich aber noch ganz andere Fragen: Wenn Sprachassistenten alltäglicher werden, werden auch ihre Suchmechanismen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Laut dem "Internet Trends Report" von Kleiner Perkins sind 2016 bereits 20 Prozent der Suchanfragen in den USA per Stimme gestellt worden.
Während es bei der klassischen Websuche noch reicht, bei Google möglichst auf Seite eins zu landen, um wahrgenommen zu werden, geben die Sprachassistenten auf Fragen nur eine Antwort, nicht zehn. Die Suchmaschinenoptimierung journalistischer Inhalte wird damit künftig weiter zunehmen, Internetkonzerne wie Google und Amazon werden noch stärker zu Gatekeepern journalistischer Inhalte.
Was die genauen Auswahlmechanismen und die Algorithmen der smarten Boxen angeht, sind keine genauen Details bekannt. Mit dem Audio-Boom muss deshalb auch eine neue Sensibilität für die Auswahl von Nachrichten entstehen - unter Journalisten, aber auch unter Nutzern.