Unter lautstarkem Protest haben vor einem Jahr die Arbeiten begonnen, inzwischen ist es ruhiger auf der Baustelle des neuen Potsdamer Garnisonkirchturms. Eine Handvoll Arbeiter hantiert am Tag einer Baustellenführung mit verschiedenen Geräten auf dem Gelände am historischen Standort der 1945 zerstörten und 1968 abgerissenen Barockkirche. Ein Bagger und ein Kran assistieren. Die Tiefbauarbeiten zwischen Studentenwohnheim, Künstlerhaus, provisorischer Kapelle und Hauptverkehrsstraße gehen ihrem Ende entgegen.
38 tonnenschwere Gründungspfähle sind in den vergangenen Monaten knapp 40 Meter tief im Boden versenkt worden, sie sollen später für die Stabilität des Turms sorgen. Rund 500 Kubikmeter Beton wurden bereits im neuen Fundament verarbeitet. Das Stahlgeflecht für die Bodenplatte ist fertig verlegt. Bis zu 300 weitere Kubikmeter Beton kommen noch dazu, wenn sie gegossen wird, heißt es auf der Baustelle. In der ersten Novemberhälfte soll es soweit sein, sagt der Verwaltungsvorstand der Garnisonkirchenstiftung, Peter Leinemann: "Und dann geht es mit dem Rohbau weiter."
Der Bau wächst und wird sichtbar
Der evangelische Berliner Altbischof Wolfgang Huber freut sich über die Fortschritte. "Als Kuratoriumsvorsitzender bin ich von der ersten Phase der Bauarbeiten sehr beeindruckt", sagt der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): "Für ein Bauwerk dieser gewaltigen Höhe, fast 90 Meter, sind die Gründungsarbeiten von entscheidender Bedeutung." Er gehe deshalb "mit großer Zuversicht auf die weitere Entwicklung des Bauvorhabens zu", betont der Theologe: "Nun wird der Bau aus dem Boden wachsen und sichtbar werden."
Das vor allem wegen der Geschichte der Kirche weiter umstrittene Bauvorhaben hat prominente Unterstützer: Fernsehmoderator Günther Jauch hat einen Millionenbetrag gespendet, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft übernommen. Die Kirche will den neuen Turm für Friedens- und Versöhnungsarbeit nutzen und damit einen Kontrapunkt zur Geschichte der preußischen Militärkirche setzen, in der Hitler 1933 eine Rede hielt. Der Bund gibt zwölf Millionen Euro, knapp zwei Millionen davon sind bereits ausgezahlt. Die evangelische Kirche gibt fünf Millionen Euro Kredite. Für den vollständigen knapp 40 Millionen Euro teuren Turmbau fehlten trotzdem "noch gut zehn Millionen Euro", sagt Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg.
Gut zehn Jahre nach der Gründung der Baustiftung hat nun auch ein wissenschaftlicher Beirat die Arbeit aufgenommen. Vorsitzender ist der Berliner Historiker Paul Nolte, der auch Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin ist. Dem Beirat gehören auch die Direktorin des Potsdamer Einstein-Forums, Susan Neiman, und der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, an. Stellvertretende Vorsitzende ist die Erfurter Historikerin Christiane Kuller. Erste Pläne des Beirats sind eine Überprüfung des Online-Auftritts der Stiftung und eine Tagung über Kirchen als Erinnerungsorte.
In turbulenten Zeiten ein falsches Symbol
Doch die Kritiker, die die Kirche vor allem als Symbol des preußischen Militarismus und des NS-Regimes sehen, sind weder vom Fortgang der Bauarbeiten noch von der prominenten Unterstützung für das Projekt sonderlich beeindruckt. Der Potsdamer Kommunalpolitiker Lutz Boede von der linksalternativen Fraktion "Die Andere", seit langem gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche aktiv, hat das Bauprojekt auch zum Wahlkampfthema der Oberbürgermeisterwahl in der Stadt gemacht. Gerade in einer Zeit des wieder auflebenden Rechtsextremismus einen solchen Symbolort zu errichten, halte er "für grundfalsch", sagt Boede am Rande eines Fußballcamps: "Außerdem fehlen weiter die finanziellen Voraussetzungen." Die Befürworter müssten zur Besinnung kommen und das Projekt beenden.
"Ich wünsche mir an dieser Stelle einen Lern- und Erinnerungsort, der sich mit der Militärgeschichte der Stadt und mit ihrer NS-Zeit auseinandersetzt", hieß es im Wahlkampf von Lutz Boede um das Amt des Oberbürgermeisters: "Hier sollte eine anerkannte wissenschaftliche Einrichtung nach modernen Konzepten arbeiten. Dazu wird keine Turmattrappe benötigt." Potsdam brauche kein "geschichtsvergessenes Preußisch-Disneyland, das prestigehungrige Eitelkeiten bedient oder den rechten Rand begeistert". Bei der Oberbürgermeister-Wahl im September hat der 53-Jährige, der in der DDR wegen Kritik an Wehrdienst und Wahlsystem mehrere Monate lang im Gefängnis saß, auch mit diesem Thema 11,4 Prozent der Stimmen geholt und so die AfD auf den vorletzten Platz verwiesen.
Turm als Lernort der Geschichte und Friedensort
Das inhaltliche Fundament des neuen Turms als Lernort der Geschichte und Friedensort werde bereits "mit dem Wachsen der ersten Mauern" durch ein Bibelzitat im Sockel sichtbar werden, hält Eschenburg dagegen. Die Stiftung will nun weiter um Spenden werben. Und die Gegner planen weitere Proteste.