Als der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem leitenden Bremer Theologen Renke Brahms vor zehn Jahren erstmals einen Friedensbeauftragten einsetzte, ging es vor allem um kircheninterne Aufgaben. Brahms sollte die vielfältige Friedensarbeit im Raum der EKD bündeln und als Botschafter für die 2007 veröffentlichte kirchliche Friedensdenkschrift auftreten. Doch Kriege wie in Syrien, Afghanistan und dem Nordirak und den damit verknüpften Debatten machten aus der Aufgabe schnell einen öffentlich viel beachteten Job, einen Auftrag mit großer medialer Präsenz.
Dabei spielte auch der Satz der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann vom Neujahr 2010 "Nichts ist gut in Afghanistan" eine wichtige Rolle. "Das hat die öffentliche Diskussion über Auslandseinsätze der Bundeswehr und zivile Konfliktlösungen in Gang gebracht", sagte Brahms dem Evangelischen Pressedienst (epd) und ergänzt mit Blick auf die gegenwärtige Sicherheitslage am Hindukusch: "Der Satz hat sich leider bewahrheitet."
Weg zum Frieden zeigen
Die im Oktober 2007 vorgelegte EKD-Friedensdenkschrift steht für eine internationale Politik der Konfliktprävention vorrangig durch zivile Mittel. Zur Durchsetzung des Rechts und zur Wahrung des Friedens sei die Androhung und Anwendung von militärischer Gewalt nur als äußerstes Mittel ethisch vertretbar, heißt es darin. Diese Ultima Ratio spielte in den ersten Jahren auch in Vorträgen und Diskussionsbeiträgen von Brahms eine wichtige Rolle.
Doch das hat sich geändert. "Ich rede jetzt zuerst über unsere christliche Prima Ratio, über die vorrangige gewaltfreie Konfliktbearbeitung", betonte der 62-Jährige. Angesichts der Krisen, Kriege und Konflikte auf der Welt gebe es viele Gründe zur Resignation. "Gerade deshalb brauchen wir Beispiele, die uns einen positiven Weg zum Frieden zeigen."
"Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor": Das ist für Brahms der Kern christlicher Friedensethik, für den es auch Beispiele gibt. "Der Mauerfall, die Friedensdörfer in Ruanda, die Arbeit des internationalen christlichen Friedensdienstes Eirene beispielsweise in Mali - das ist alles real, daraus können wir Hoffnung schöpfen", sagte Brahms. Sein Besuch im Februar 2011 bei den Soldaten in Masar-i-Scharif und die Jahre danach hätten ihm die zentrale Lektion aus dem Krieg in Afghanistan deutlich vor Augen geführt: "Ein rein militärischer Einsatz ist zum Scheitern verurteilt."
Auf der anderen Seite haben internationale Begegnungen wie die Friedenstagung des Weltkirchenrates 2011 auf Jamaika und das Treffen 2013 im südkoreanischen Busan tiefe Spuren bei ihm hinterlassen. "Menschen, die viel bedrängter von Krieg und Tod sind, sehen militärische Einsätze ganz anders", fasste Brahms zusammen. "Da funktioniert Schwarz-Weiß-Denken nicht mehr. Das ist eine eher deutsche Diskussion." Die Welt sei komplizierter geworden und führe zur Frage: "Sind nicht doch manchmal Zwangsmaßnahmen zum Schutz nötig?"
Und doch betont Brahms den Vorrang für gewaltfreie Konfliktlösungen. So sorgte er 2014 für Aufsehen, als er forderte, Deutschland sollte ein "stehendes Heer" an Friedensfachkräften aufbauen. Und zu seinem 60. Geburtstag vor zwei Jahren wünschte er sich, "dass der zivile Friedensdienst als Instrument der zivilen Konfliktbearbeitung spätestens in zehn Jahren so gut ausgestattet und mindestens so bekannt ist wie die Bundeswehr".
Kommendes Jahr im November soll der Frieden Schwerpunkt der EKD-Synode in Dresden sein. Schon von Januar an gilt für die Kirche die biblische Jahreslosung "Suche Frieden und jage ihm nach". Eine Steilvorlage für Brahms, der an der Vorbereitung der Friedenssynode mitarbeitet und darin eine Bündelung seiner bisherigen Arbeit sieht. Für ihn ist gerade vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen wie den Diskussionen um fragile Staaten, Drohnen und vollautomatische Waffensysteme klar: "Aus der Kraft des Evangeliums heraus dürfen wir klar Position beziehen - gerade in Friedensfragen."