Die Stimme hallt laut durch den rappelvollen S-Bahn-Waggon. "Haltet euch bloß gut fest", ruft eine Frau. Sie sei zwar aus dem medizinischen Bereich, aber: "Ich habe heute keine Zeit für Erste Hilfe. Ich muss zum Gala-Konzert." Einige Frauen unterbrechen kurz ihren Gospel-Gesang in der Bahn und lachen. Das ist Karlsruhe an diesem Wochenende. Eine Stadt im musikalischen Ausnahmezustand. Gospel-Fans und Sänger wohin man tritt und schaut. Mehr als 5.300 Chorsänger hatten sich für den Internationalen Gospelkirchentag in Karlsruhe von Freitag bis Sonntag (21. bis 23. September) angemeldet. Die Veranstalter von Europas größtem Gospel-Festival, die Stiftung Creative Kirche, hatten im Vorfeld 50.000 Besucher angekündigt.
Höhepunkt war ein Gala-Konzert am Samstagabend mit international bekannten Gospel-Künstlern. Mehr als 6.000 Menschen drängten sich nach Angaben eines Mitarbeiters in der Karlsruher dm-Arena an die Bühne. Sie wollten die wohl berühmteste deutsche Gospel-Sängerin Miriam Schäfer sowie den zwölffachen Grammy-Gewinner Kirk Franklin aus den USA sehen und hören. Die meisten der Zuschauer konnten fast alle Songs mitsingen. Dies war auch ein oft genannter Grund für die Anziehungskraft des Gospels.
Karlsruhe im musikalischen Ausnahmezustand
"Ich finde den gemeinsamen Gesang faszinierend. Man spürt die Schwingungen", sagte Wolfgang Koch aus Stuttgart. Er schloss sich den Meinungen vieler anderer an, dass das Gala-Konzert "sensationell" sei: "Gospel groovt einfach!" Allerdings empfand er die Funk- und Hip-Hop-lastige Musik Franklins als zu laut und grell. Eine Meinung, der sich Karl-Heinz Schuck aus Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) anschließt: "Der Top-Act, Kirk Franklin, überzeugt mich nicht. Ansonsten ist das Festival richtig gut gelungen."
Szenenwechsel. Karlsruhe am Samstagnachmittag, in der Innenstadt singen auf fünf Bühnen Chöre aus 16 Nationen. Die Sänger der Chöre aus Lahr, Freiburg, Kassel oder Weißrussland sind stimmungsvoll gekleidet. Manche tragen weiße Hosen zu leuchtend orangen Oberteilen, andere haben Glitzerhüte auf. Die Besucher sind ebenfalls vielfältig. Der Karlsruher Harald Köner erzählt, er habe erst am Freitagabend mitbekommen, dass in der Stadt Bühnen aufgebaut werden. "Auch jetzt bin ich nur zufällig vorbeigekommen und total begeistert", erzählt er.
Andere wollten sich das Festival keinesfalls entgehen lassen. Rita Schiffner aus der Nähe von Augsburg ist schon lange Gospel-Fan und extra nach Karlsruhe gereist. Die frühere Kasslerin Eva Neumann hatte den Gospelkirchentag schon vor vier Jahren in Kassel kennengelernt. Inzwischen ist sie nach Karlsruhe gezogen, lauschte am Samstag aber denselben Chören, die sie schon vor vier Jahren erlebt hat. Und eine Frau berichtete, sie habe sich bei ihrem Chef kurzfristig krankgemeldet, um das gesamte Festival erleben zu können.
Begonnen hatte der Gospelkirchentag am Freitagabend mit einem Eröffnungskonzert und der "langen Gospelnacht". Am Sonntagnachmittag endete das Festival mit einem Festgottesdienst mit dem evangelischen badischen Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh. Der Gospelkirchentag soll ein Impuls für Vielfalt und Integration setzen. Die musikalische Großveranstaltung steht unter dem Motto "Gonna get better!" - "Es wird besser werden."
Veranstalter des Karlsruher Festivals ist die Stiftung Creative Kirche in Kooperation mit der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der Evangelischen Kirche in Karlsruhe und der Stadt Karlsruhe. 2010 war der Gospelkirchentag schon einmal in Karlsruhe zu Gast.