Bibel
Foto: baona/istock
"Jugendliche verlangen nach Anspruchsvollem oder auch Provokantem"
Ein Großteil der Jugendlichen liest so gut wie gar nicht mehr in der Bibel. Woran das liegt, damit befasst sich in Regensburg drei Tage lang ein internationales Forschungskolloquium. Die Theologen tauschen sich von diesem Mittwoch (19. September) an darüber aus, welche aktuellen Jugendbibeln es gibt, welchen Konzeptionen sie verfolgen und welche Einsichten sie vermitteln. Neben der christlichen Jugendbibel wird auch die hebräische Tora und der islamische Koran in den Blick genommen, teilte der evangelische Theologe Michael Fricke am Montag mit, der Experten aus Augsburg, Bamberg, Freiburg, Wien und Zürich zu dem Symposium eingeladen hat.
18.09.2018
epd
Gabriele Ingenthron


Herr Fricke, Jugendliche sind keine Kinder mehr, sie können wie Erwachsene die Bibel lesen. Warum benötigt man überhaupt eine Jugendbibel?

Michael Fricke: Jugendliche sind eine ganz eigene Gruppe. Sie lassen sich mit einfachen Texten und Bildern nicht mehr so ansprechen, sie verlangen nach Anspruchsvollem, Tiefgründigem oder auch Provokantem. Deshalb wollen wir uns mit ihnen beschäftigen. Wenn man eine "Jugendbibel" schreibt, wählt man eher eine Sprache aus, die für Jugendliche attraktiv ist. Oder man kann auch herkömmliche Texte nehmen und mit ganz verrückten Bildern illustrieren. Dazu haben wir den Münchner Künstler Quint Buchholz eingeladen, der eine Jugendbibel illustriert hat. Seine Bilder passen nicht unbedingt zum Text, reiben sich eher damit. Das sind Effekte, die wir auslösen wollen. Es geht uns nicht darum, Jugendliche zu manipulieren. Wir wollen prüfen, wie sich Jugendliche mit den Texten auseinandersetzen. Eine zweite Beobachtung: Wenn ich einem Jugendlichen die Bibel in die Hand gebe, kann es sein, dass er sie gar nicht benutzt. Wenn ich aber einen Kreis von Jugendlichen habe, kann es ganz anders aussehen. Dann wird plötzlich auch der Text wieder attraktiv.

Sie haben neben Bibelexperten auch einen Koran-Wissenschaftler und eine Tora-Forscherin eingeladen. Welchen Effekt erhoffen sie sich?

Fricke: Wir haben alle drei einen heiligen Text und wollen ihn mit Jugendlichen erschließen. Man merkt, dass man, obwohl man eine andere Religion hat, vor genau den gleichen Fragen steht. Das ist das, was uns verbindet. Da muss man sich inhaltlich gar nicht "bekehren", sondern die Idee ist: Da ist jemand, der möchte mit seinen Jugendlichen heilige Texte lesen und erschließen, und das will ich auch. Welche Hürden dabei existieren und welche Prozesse dabei ablaufen, das wollen wir erforschen. Das heißt, es verbindet uns miteinander auf der Arbeitsebene etwas, ohne dass man schon fragt, welche Religion ist jetzt wahrer als die andere. Man kann dabei auch lernen, das Beharren auf dem Eigenen abzubauen, wenn man sieht, dass man bei pädagogischen und didaktischen Fragen genau vor denselben Herausforderungen steht.



Mit Abdel-Hakim Ourghi haben Sie einen freiheitlichen Islamforscher gewählt. Sollte das ein Statement sein?

Fricke: Wenn wir in Deutschland mit dem Islam kooperieren, dann kann es nur ein Islam sein, der bereit ist, über sich selbst zu reflektieren. Das tut Herr Ourghi in einer ganz hervorragenden Weise. Er hat mit seinen Büchern über die Reform des Islam gezeigt, dass man als deutscher Muslim für einen aufgeklärten Islam streiten kann. Die Kirchen und Politiker müssten viel mehr auf diese Personen hören und sich nicht von anderen Vereinigungen vereinnahmen lassen. Als Hauptorganisator des Kolloquiums habe ich also ganz bewusst jemanden wie Herrn Ourghi eingeladen, um zu zeigen, dass es darum geht: Um eine freie, wissenschaftliche Auseinandersetzung, hier in Deutschland. Und zugleich wird gesagt, dass wir mit den anderen, die das nicht wollen, auch nicht kooperieren können.