Lando van Herzog
Foto: Manfred Jasmund
Lando van Herzog.
"Ein Bewusstsein für den Wert künstlerischer Arbeit erzeugen"
Künstler wie Yvonne Catterfeld, Die Prinzen, Till Brönner, Frank Schätzing, Ulrich Noethen, die Söhne Mannheims, Christoph Maria Herbst oder Marianne Rosenberg haben sich zusammengetan für das PROJECT FAIR PLAY. Worum es dabei geht, erklärt Initiator Lando van Herzog.

Was ist PROJECT FAIR PLAY?

Lando van Herzog: Basis von PROJECT FAIR PLAY ist das gleichnamige Musikkonzeptalbum, auf dem Kulturschaffende aus unterschiedlichsten Genres Stellung beziehen gegen die Umsonst-Kultur im Internet und ihre Begleiterscheinungen. Es geht uns um Respekt vor geistigem Eigentum. Da man heutzutage Musik, Filme, Bilder und Texte im Netz zu Dumpingpreisen oder gar umsonst bekommt, ist es für viele Künstlerinnen und Künstler sehr schwierig, von ihrer Arbeit zu leben. Kultur kann es aber nur geben, wenn die Schöpfer für ihre Werke auch fair bezahlt werden. Und weil Fair Play viele Dimensionen hat, zum Beispiel im Sport, in der Arbeitswelt oder in zwischenmenschlichen Beziehungen, kommen diese Themen auch in unserem Projekt vor.

Was war bei Ihnen der Auslöser, dieses Projekt zu starten?

van Herzog: Früher habe ich meine Musik ausschließlich online über die damals gängigen Portale vertrieben. Trotz gewaltiger Präsenz meiner Musik im Netz war die Anzahl der legalen Downloads mäßig, und ich musste nach Recherchen feststellen, dass leider der größte Teil meiner Werke ohne Bezahlung, also illegal genutzt wurde. Das hatte unmittelbare Auswirkungen auf meine Existenz, nämlich als Künstler von meiner Arbeit nicht leben zu können. Und das ging natürlich nicht nur mir so. Das veranlasste mich, mich intensiv mit der Thematik zu befassen.

Sie haben eine Menge prominenter Mitstreiter bei PROJECT FAIR PLAY. Auf dem Album sind unter anderem Leute wie Frank Schätzing oder Tanja Kinkel mit Texten vertreten, Ulrich Noethen oder Christoph Maria Herbst leihen ihre Stimmen, die Söhne Mannheims, Till Brönner, Yvonne Catterfeld,  Marianne Rosenberg, Mousse T oder die Prinzen steuern Musik bei. Aber auch der Kulturstaatsminister a. D. Bernd Neumann unterstützt Sie. Wie sind Sie an diese Leute rangekommen?

van Herzog: Ich bin ja schon länger in der Musik- und Kulturszene unterwegs und habe mit den verschiedensten Menschen zusammengearbeitet. Die, die jetzt mitwirken, kannte ich  daher fast alle bereits, oder zumindest deren Management, mit vielen von ihnen bin ich auch befreundet. Und mit meinem Anliegen habe ich bei Ihnen offene Türen eingerannt. Schließlich ist es das erste Mal, dass solch eine Initiative, die sich an eine breite Öffentlichkeit wendet, von Kulturschaffenden selbst ausgeht. Vorher gab es eigentlich nur Appelle und Petitionen innerhalb der Branche. Besonders wichtig war mir, dass Künstler dabei sind, die verschiedene Alters- und Zielgruppen ansprechen und aus unterschiedlichen Genres stammen. So freue ich mich zum Beispiel, dass mit Joyce Ilg eine extrem erfolgreiche YouTuberin mitwirkt, mit Marianne Rosenberg  aber auch eine Musikerin, die die Älteren kennen. Als wir mit der Produktion von PROJECT FAIR PLAY begannen, konnten wir zu meinem Erstaunen bei den damaligen Vertretern der Musikindustrie selbst keine Unterstützung finden. Das hat dann letztendlich auch bedeutet, dass wir alles alleine auf die Beine stellen mussten. Plötzlich hatte ich eine ganze Reihe von Jobs auf einmal: Initiator, Musiker, Produzent, Labelchef, Promoter, Öffentlichkeitsarbeiter. Und finanzielle Unterstützung gab es nicht. Zum Glück haben alle Kollegen ehrenamtlich mitgemacht. Später musste ich sogar eine meiner beiden geliebten Violinen verkaufen, um die Finanzierung zu sichern. Das hat wehgetan.

Querschnitt der Künstlerinnen und Künstler auf dem Album PROJECT FAIR PLAY.

Apropos Musikindustrie. Früher haben ja vor allen Dingen die großen Musikkonzerne, Verlage und Plattenfirmen an der Musik verdient, nicht die Internetkonzerne. War das besser?

van Herzog: Auch damals, als es die Internetkonzerne noch nicht gab, haben die meisten Künstler - mit Ausnahme der Stars - eher das kleinste Stück vom Kuchen abbekommen. Aber heute ist es deutlich schlimmer. Die Umsonst-Unkultur breitet sich aus wie eine Epidemie, und wenn Künstler dennoch entlohnt werden, dann eher schlecht als recht: Die Bedingungen, nach denen Spotify & Co für Musik abrechnen, werden nicht von den Künstlern verhandelt sondern von den Musikkonzernen. Musikindustrie und Streamingplattformen jedoch vertreten vorrangig bis ausschließlich ihre eigenen Interessen und sind abhängig von den Ansprüchen der auf Gratiskultur eingeschworenen Konsumenten. Wer in dieser Kette "Konsument – Streamingdienst – Musikkonzern – Musiker" das Nachsehen hat, ist offensichtlich. Streamingdienste sind derzeit, insbesondere für deutschsprachige Musiker, selten eine lukrative Einnahmequelle, sofern sie keine hohe Gewinnbeteiligung mit den Musikfirmen ausgehandelt haben. Allerdings sind wir Künstler auch ein bisschen selbst an der Gesamtsituation schuld: Unser größtes Manko ist, dass wir nicht organisiert sind. Übrigens:  Viele der Konzerne - wie zum Beispiel Amazon - sind gar nicht darauf angewiesen , mit Musik-Streaming Geld zu verdienen. Sie interessieren sich vielmehr für die Daten, die sie durch diese Dienste über die Nutzer bekommen. Diese Daten können sie dann richtig zu Geld machen. Und unsere Musik ist das nahezu kostenlose Vehikel dafür.

Und diejenigen, die zumindest Ihre finanziellen Interessen vertreten sollen und könnten - Verwertungsgesellschaften wie die GEMA – sind da auch nicht besonders erfolgreich, oder?

van Herzog: Die GEMA gibt ihr Bestes in den Verhandlungen mit den übermächtigen Internetgiganten. Laut Weltverband der Phonoindustrie IFPI findet in Deutschland fast die Hälfte des Musikstreamings über Videostreamingdienste wie YouTube, das ja zum Google-Konzern gehört, statt. Diese Plattformbetreiber nutzen rechtliche Schlupflöcher aus, indem sie sich lediglich auf die Rolle des Infrastruktur-Anbieters zurückziehen, um die Urheber der Werke entweder gar nicht oder obszön unter Wert zu vergüten, also auszubeuten: Ein Milliarden-Dollar-Geschäft mit unseren Songs - und wir sehen davon kaum einen Cent. Google & Co sind extrem mächtig, können sich die besten Anwälte leisten, machen Lobbyarbeit...

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So wie bei zum Beispiel bei der jüngsten Debatte im EU-Parlament um die Reform des Urheberrechts. Da unterstützten die Internetkonzerne größtenteils die Fraktion, die für "Freiheit im Netz" kämpft. Diese fürchtet ja, dass Zugänge zu Information und Kultur kontrolliert werden könnten und dann teilweise nur noch für bestimmte Kreise oder Besserverdienende zugänglich wären. Ist das nicht eine begründete Angst?

van Herzog: Diese Fraktion begründet ihre Ablehnung damit, die EU wolle ein Gesetz verabschieden, das Upload-Filter und Zensurmaschinen einführen wird. Es geht bei der Reform aber nicht darum, Zugänge zu begrenzen und Freiheiten einzuschränken. Es geht um den Wert von künstlerischen Werken und geistigem Eigentum - und dass die Urheber dabei nicht auf der Strecke bleiben. Dieses Gesetz soll unter anderem YouTube endlich dazu zwingen, mehr Geld für die Nutzung unserer Musik zu zahlen statt Almosen zu verteilen.

Aber was sagen sie dann denen, die sagen: "Die Gedanken sind frei! Sie können keinem gehören, weil sie immer eine Kombination aus allem sind, was uns beeinflusst in unserem Leben – und kein 'Werk' von uns." Kann man diese Gedanken denn dann verkaufen?

van Herzog: Ach, das ist diese "Piraten-Position". Die ist mehr als ärgerlich. Das könnte man doch bei allen möglichen anderen Tätigkeiten und Berufen auch sagen. Klar, Michael Jackson wäre ohne James Brown nicht denkbar gewesen. Aber jemand, der heute ein Produkt herstellt, greift doch auch auf Vorwissen Anderer und auf bestimmte Voraussetzungen zurück. Das Jahrbuch 2017 des Bundesverbandes der deutschen Musikindustrie stellt bei einer Untersuchung über Musikkonsumenten fest: Im Jahr 2017 gaben insgesamt 30 Prozent der Deutschen an, Geld für Musik auszugeben, und jetzt zitiere ich wörtlich aus dem Jahrbuch: "Umgekehrt haben also 70 Prozent nichts für Musik gezahlt." Auch wenn diese 70 Prozent nicht alle Musikdiebe sind, zeigt diese Untersuchung doch deutlich, welchen Wert Musik und Kultur in unserer digitalen Gesellschaft haben. Stellen Sie sich das mal im Supermarkt vor, wenn zwei Drittel der Leute einfach so durch die Kasse gehen würden mit ihrem Einkaufswagen. Der Bäcker kann seine Brötchen doch auch nicht verschenken! Ich weiß, der Vergleich ist nicht hundertprozentig stimmig. Aber es geht uns eben um diese "Umsonst-Einstellung": Das Bewusstsein muss sich ändern! Kultur gehört zu unserem Leben. Aber sie ist nicht kostenlos. Ohne Finanzierung stirbt auch die Kultur.

Und wie wollen Sie dann der Umsonst-Kultur und der Marktmacht der Internetkonzerne entgegenwirken? Ist es dafür nicht eigentlich schon viel zu spät?

van Herzog: Sanktionen gegenüber dem einzelnen Menschen, der illegal Inhalte nutzt, sind nicht effizient. Wenn die Marktmacht der Internetkonzerne die angemessene Vergütung von Urhebern nicht mehr garantiert, müssen Politik und Gesetzgeber nachbessern. Unser Ansatz, der Umsonst-Kultur entgegenzutreten, ist aber ein anderer: Wir rufen auf zum Fair Play gegenüber unserer künstlerischen Arbeit. Unsere Musikbeiträge sollen Brücken in den Köpfen der Menschen bauen, Herzen öffnen und ein Bewusstsein für den Wert künstlerischer Arbeit erzeugen. Und wir versuchen, mit der Überzeugungsarbeit früh zu beginnen: Zum Beispiel wird PROJECT FAIR PLAY  als Unterrichtsmaterial für alle Schulformen in Nordrhein-Westfalen über das Schulministerium verfügbar gemacht. Und es ist nie zu spät,  die Umsonst-Kultur zu bekämpfen: Einer unserer Partner ist Dieter Overrath, Gründer der "Fair Trade"- Organisation. Er sagte mir, dass fair gehandelte Produkte vor 25 Jahren, als er damit begann, Fair Trade zu etablieren, noch kein Thema waren. Und mittlerweile bekommt man sie fast in jedem Supermarkt, sogar Discounter wie ALDI kümmern sich inzwischen um das Thema "Fairer Handel".

Wenn man das so hört - und auch das, was Sie am Anfang gesagt haben, dass PROJECT FAIR PLAY auch noch so viele andere Dimensionen hat – dann klingt das alles ein bisschen nach einer anderen, einer besseren Gesellschaft. Ist PROJECT FAIR PLAY auch ein Stück weit eine Utopie?

van Herzog: Ich bezeichne es als Vision. Auf dem PROJECT FAIR PLAY-Album hören wir eine hoffnungsfrohe musikalische Ouvertüre, die von den Prager Philharmonikern gespielt wird. Und darüber spricht die deutsche Synchronstimme von Angelina Jolie mit göttlicher Stimme folgende Worte, die unser Motto und Leitmotiv sind: "Mein Name ist Mensch, ich bin dein Bruder!"