Ruhetag
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Ein Tag zum Füßehochlegen tut der gesamten Gesellschaft gut.
Wenn Nichtstun von oben verordnet wird
Ein Theologe wirbt für die Wiederentdeckung des Sabbats
Sonntagsruhe - historische Errungenschaft oder überkommene Tradition? Ein Theologe hat die Bedeutung des "Sabbats" recherchiert. Er zeigt, wie die Gesellschaft vom verbindlichen Ruhetag profitieren kann.

Den Sonntagsschutz wollen seit Jahrzehnten verschiedenste Kräfte lockern. Industrielle pochen darauf, dass ihre teuren Maschinen sieben Tage die Woche laufen; Einzelhändler möchten der Internetkonkurrenz mit verkaufsoffenen Sonntagen die Stirn bieten. Wer Freizeit hat, sehnt sich oft nach offenen Restaurants, Geschäften, Vergnügungsstätten. Der evangelische Theologe Tilman Jeremias hält das allerdings für einen Irrweg. In seinem neuen Buch "Sabbat - Gottesgeschenk für alle" argumentiert er, dass die gesamte Gesellschaft von einem verbindlichen Ruhetag profitiert.

Der frühere Wort-zum-Sonntag-Sprecher und heutige Pastor für Mission und Ökumene im Kirchenkreis Mecklenburg ist der Überzeugung, dass eine Sechs-Tage-Woche gefolgt von einem Ruhetag schon in der Schöpfung verankert ist. International habe sich dieses Muster durchgesetzt. Versuche in der französischen Revolution und in kommunistischen Ländern, die Zehn-Tage-Woche einzuführen, seien gescheitert.

Nicht die Ruhe, sondern der Gottesdienst

Jeremias ruft in Erinnerung, wie radikal in der jüdischen Geschichte das göttliche Gebot der Sabbatheiligung eingefordert wurde. Es gehört zu den Zehn Geboten und sei das "in unseren Tagen wohl am meisten übertretene". Im Alten Testament werde die Übertretung des Gebots dagegen noch mit der Todesstrafe bedroht. Weil Gott selbst nach sechs Tagen Schöpfung der Welt ausruhte, solle auch der Mensch seine Arbeit unterbrechen und einen Tag lang so leben, als sei alles getan.

Der Sabbat ist der Darstellung zufolge für das jüdische Volk geradezu identitätsstiftend und ein Erkennungszeichen jüdischen Lebens über die Jahrtausende und über verschiedene Kulturen hinweg. Und das zum eigenen Nutzen, wie der Zionist Asher Ginzberg schreibt: "Mehr als Israel den Sabbat bewahrt hat, hat der Sabbat Israel bewahrt."

Was den Juden der Sabbat, ist den Christen der Sonntag - so die landläufige Sicht. Jeremias arbeitet allerdings heraus, dass erst im 4. Jahrhundert unter Kaiser Konstantin im Römischen Reich der Sonntag als Feiertag, an dem an die Auferstehung Jesu Christi von den Toten erinnert wird, Verbindlichkeit erlangte. Im Vordergrund stand dabei nicht die Ruhe, sondern der Gottesdienst. Eine Sichtweise, die von der Reformation noch einmal verstärkt wurde, sich bis heute erhalten hat und in deutlicher Abgrenzung zum ursprünglichen Charakter des Sabbats steht.

Der Sabbat ist in der biblischen Theologie eine Grundidee, die die ganze Sozialgesetzgebung durchzieht. Auch Sklaven und Tiere sollen an diesem Tag nicht arbeiten. In jedem siebten Jahr, dem Erlassjahr, sollen Schulden erlassen, hebräische Sklaven entlassen und verkauftes Land zurückgegeben werden. Der Autor lobt das deutsche Insolvenzrecht, das nach sechs Jahren eine Restschuldbefreiung vorsieht - in Anlehnung an das Erlassjahr.

Jeremias sieht deshalb in der Wiederentdeckung des Sabbats mehr als eine Therapiemaßnahme für gestresste Menschen des 21. Jahrhunderts. Zwar gibt er auch ihnen konkrete Tipps, etwa den Sonntag offline zu verbringen und den Ruhetag nach jüdischer Sitte schon am Vorabend einzuläuten. Doch er sieht auch Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft - vom Schuldenerlass für Entwicklungsländer über die Einführung einer Lohnobergrenze bis zu besseren Möglichkeiten für Arbeitnehmer, eine Auszeit (Sabbatical) zu nehmen.

Jedenfalls steht aus Sicht des Theologen die "Allianz für den Sonntag", in der sich unter anderem Gewerkschaften und Kirchen für den Schutz des Ruhetags einsetzen, nicht für eine rückwärtsgewandte Politik. Vielmehr stehe der Sabbat für eine "Ökonomie des Genug", weil er deutlich mache, dass Zeit weit mehr bedeute als Geld. Zum Abschluss zitiert Jeremias aus den Weisheiten des alttestamentlichen Prediger-Buchs (Kapitel 4, Vers 6): "Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe."