Minecraft ist ein Phänomen. Das Computerspiel eines schwedischen Programmierers wurde weltweit schon rund 150 Millionen Mal verkauft. Von den 12- bis 13-Jährigen in Deutschland nennt es laut JIM-Studie jeder Dritte sein Lieblingsspiel. In Minecraft geht es weniger darum, Feinde zu vernichten oder Festungen einzunehmen. Zunächst bauen die Spieler einfach nur Häuser und Landschaften - und das in einer pixeligen Grafik, die an die Frühzeit digitaler Bilder erinnert. Der württembergische Pfarrer Thomas Ebinger will die Popularität von Minecraft für die kirchliche Jugendarbeit nutzen.
Der 46-jährige Theologe ist Dozent für Konfirmandenarbeit in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Als Jugendlicher hat er selbst auf einem Commodore 64 einfachst animierte Wurmspiele gezockt. Den Programmiercode dazu musste er von Hand aus einer Zeitung abtippen. Ebinger ist überzeugt, dass das Spielen in der Pädagogik wieder mehr Raum bekommen muss. Er hält es für fatal, dass Kindern die Schule mit dem Satz "Jetzt beginnt der Ernst des Lebens" präsentiert wird. Spielen sei keine Arbeit und könne deshalb viel leichter Lernstoffe vermitteln. Zum Beispiel in der Konfirmandenarbeit.
"Das mach' ich ja nur im Spiel"
Der Minecraft-Fan hat sich einige Aufgaben ausgedacht, mit denen die Jugendlichen das Programm für christliche Inhalte nutzen können. Beispielsweise bauen sie zwei Welten - eine, in der die biblischen Zehn Gebote gelten, und eine, in der sie nicht gelten. Oder das Haus des Zöllners und Betrügers Zachäus aus dem Neuen Testament, das bei den jungen Spielern die Frage aufwirft: Wie schützte man damals und wie schützt man heute seinen Reichtum?
Ebinger hat die Erfahrung gemacht, dass Alltagsthemen auf diesem Weg viel leichter ansprechbar seien. In der Minecraft-Welt könnten sie ihre Gefühle ausleben und sich gleichzeitig mit dem Satz "Das mach' ich ja nur im Spiel" schützen. Die technischen Voraussetzungen sind vergleichsweise gering. Ebinger nutzt eine kostenlose Minecraft-Variante namens Minetest. Verschiedene Laptops lassen sich über ein lokales Netz oder das Internet verbinden - so können die Teilnehmer miteinander bauen.
Der Konfi-Experte ermutigt Pfarrer, das Ganze auszuprobieren. Das Netz biete Anleitungen, wie entsprechende Projekte praktisch umzusetzen seien. In jeder Gemeinde gebe es Leute, die sich gut genug mit dem Computerspiel auskennen, um mit Jugendlichen eine Minecraft-Aktion zu starten. Die Vorteile liegen für Ebinger auf der Hand: Ein kostenloses, pädagogisch wertvolles Computerspiel, das bei den jungen Leuten höchst populär ist, kann sie an Themen des Glaubens und der Bibel heranführen.
Der kirchliche Minecraft-Pionier Ebinger erhält inzwischen Anfragen aus ganz Deutschland. Auch andere Werke haben das Computerspiel für ihre Arbeit entdeckt, etwa die Cansteinsche Bibelgesellschaft. Die Möglichkeiten, die Minecraft für die christliche Pädagogik bietet, sind nach Ebingers Überzeugung bei weitem nicht ausgeschöpft. Seiner Ansicht nach sollten noch mehr erfahrene Spieler Welten mit christlichen Bezügen entwerfen, in die sich Rätsel, Texte oder historische Orte wie Jerusalem zur Zeit von Jesus Christus einbauen lassen.