Paul Richter war nicht nur Pfarrer, sondern auch Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Als die Gestapo ihn am 10. November 1941 verhaftete, war er zuvor von der Witwe eines verstorbenen Soldaten denunziert worden.
Bereits in den vorangegangenen Jahren hatte Richter sich kritisch gegenüber dem Nationalsozialismus geäußert: Er positionierte sich gegen die Vereinnahmung der Kirche durch die Nationalsozialisten, gleichzeitig stellte er sich gegen das Führerprinzip und die Rassenideologie. Ihm wurden daraufhin ein Predigtverbot, die Suspendierung vom Dienst sowie eine Geldstrafe auferlegt. Schon 1933 notierte er: "Es möchte denen entgegengetreten werden, die uns vorschreiben wollen, nationalsozialistische Weltanschauung zu predigen." Im gleichen Jahr schloss er sich dem Pfarrernotbund an und 1934 der Bekennenden Kirche. Im März 1942 wurde Richter aus dem Dresdener Polizeigefängnis in das Konzentrationslager Dachau überführt. Dort starb er am 13. August 1942 an Unterernährung und Hungertyphus.
Ein ähnliches Schicksal wie Richter teilten manche evangelische und katholische Geistliche unter anderem aus Deutschland, Polen und den Niederlanden. In den Jahren von 1941 bis 1945 waren in Dachau über 2.000 katholische Geistliche gefangen, von denen die große Mehrheit aus Polen stammte, ebenso über 100 evangelische Pfarrer, von ihnen stammten 41 aus Deutschland. "In Polen reichte es aus Geistlicher zu sein, um in ein Konzentrationslager zu kommen", sagt Björn Mensing, Historiker und Pfarrer der Versöhnungskirche in Dachau, die sich heute auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte befindet. Daraus erklärt sich die hohe Anzahl der polnischen Geistlichen, die im KZ inhaftiert waren. In Polen wurden die Geistlichen mit polnischer Muttersprache zur Führungselite des Landes gezählt.
In Deutschland kamen katholische Priester als politische Häftlinge nach Dachau. Viele waren zuvor innerhalb der Zentrumspartei organisiert gewesen. Nach Hitlers Ermächtigungsgesetz im März 1933 löste sich die Partei im Juli 1933 selbst auf, um einer Zerschlagung der Nationalsozialisten zuvorzukommen.
Eine einheitliche Position gegenüber dem Nationalsozialismus hat es auf evangelischer Seite damals nicht gegeben. Einerseits gründete sich die Kirchenpartei der Deutschen Christen (DC), die versuchten, Protestantismus und Nationalsozialismus miteinander zu vereinen. Dies zeigte der Versuch, den Arierparagraphen in die Kirchenverfassungen zu übernehmen: Christen mit jüdischer Herkunft sollten aus kirchlichen Ämtern ausgeschlossen werden. Die Deutschen Christen gewannen bei den Kirchenwahlen im Juli 1933 große Mehrheiten und stellten mit Ludwig Müller im September 1933 einen nationalsozialistischen Reichsbischof.
Als Reaktion auf diese Politik gründete sich im gleichen Jahr auf Initiative von Martin Niemöller der Pfarrernotbund, aus dem 1934 die Bekennende Kirche hervorging. Sie stand in Opposition zu den Deutschen Christen, stellte sich gegen deren Lehre und beanspruchte für sich, die einzige rechtmäßige Kirche zu sein. Auf der Bekenntnissynode von Barmen im Mai 1934 verabschiedete sie die Barmer Theologische Erklärung, die den nationalsozialistischen totalitären Staat mit dem christlichen Bekenntnis als unvereinbar und Jesus Christus als die einzige Richtschnur der Kirche erklärte.
Die Situation verschärfte sich nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Evangelische Geistliche gerieten ins Visier der Nationalsozialisten, wenn sie der Bekennenden Kirche angehörten. "Jedoch darf hier nicht außer Acht gelassen werden, dass es auch innerhalb der Bekennenden Kirche Anhänger der Nationalsozialisten gab", erklärt Björn Mensing. Das hing damit zusammen, dass sich die Bekennende Kirche zunächst als kirchliche Opposition gegen die Einflussnahme der Deutschen Christen sah, nicht gegen den Nationalsozialismus als ganzen.
Dennoch gab es auch innerhalb der Bekennenden Kirche Widerstandskämpfer, die die nationalsozialistische Ideologie strickt ablehnten. Paul Richter gehörte zu ihnen. Ebenso Heinrich Grüber, ein evangelischer Pfarrer mit niederländischer Abstammung. In den Jahren 1937/38 gründete er in Berlin eine "Hilfsstelle für nichtarische Christen", die auch unter dem Namen "Büro Grüber" bekannt war und die er leitete. Grüber rettete in dieser Zeit mehr als 1.700 Menschen, indem er ihnen zur Auswanderung verhalf. 1940 protestierte er gegen die begonnenen Judendeportationen, woraufhin er selbst von der Gestapo verhaftet und später ins KZ Dachau verschleppt wurde. Die Nationalsozialisten entließen ihn 1943 aufgrund schwerer Krankheit, wodurch Grüber das KZ überlebte. Er gehörte 1945/46 zum Gründungsvorstand der Berliner CDU, wurde zeitgleich Propst und gehörte der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg an.
"Die Besonderheit am KZ Dachau war, dass es das einzige Konzentrationslager war, in dem es einen Pfarrerblock gegeben hat" erklärt Björn Mensing. Ab 1941 gehörte auch eine Kapelle dazu. "Das geschah auf Anordnung Heinrich Himmlers", so Mensing. Der Vatikan hatte gefordert, dass die katholischen Geistlichen im KZ Gottesdienst feiern können, wodurch Himmler die zentrale Zusammenlegung der Geistlichen in einem KZ anordnete. Dabei handelte es sich um ein Zugeständnis der Nationalsozialisten dem Papst gegenüber, das auch für die evangelischen Geistlichen galt. Zu ihren Privilegien gehörten zeitweise auch größere Essensrationen. Diese wurden einige Monate später wieder eingestellt, da die Geistlichen dadurch die Missgunst der SS auf sich zogen. Die Geistlichen waren im Pfarrerblock gesondert von den restlichen Häftlingen untergebracht. Ein Auftreten als Seelsorger für andere Mitgefangenen, wie es zuvor in Teilen geschehen war, war damit nicht mehr möglich. Bis zur Befreiung des KZ 1945 könnten die inhaftierten Geistlichen dort Gottesdienst feiern – stets unter Ausschluss der anderen Gefangenen.
Heute befindet sich auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte die evangelische Versöhnungskirche. Sie wurde in den 1960er Jahren auf Initiative von KZ-Überlebenden errichtet. Getragen wird sie von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das Personal stellt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern. Dachau ist heute die einzige KZ-Gedenkstätte, auf deren Gelände sich eine evangelische Kirche befindet.
Björn Mensing leitet Führungen durch die Gedenkstätte, gleichzeitig tritt er im Rahmen von Veranstaltungen in den Dialog mit einzelnen KZ-Überlebenden. "Wichtig für unsere Arbeit ist, dass wir nicht nur den evangelischen Häftlingen gedenken, sondern allen, die während der NS-Zeit verfolgt wurden", so Mensing. Dazu gehören auch Kommunisten, Homosexuelle oder die Zeugen Jehovas. "Das ist das mindeste was wir tun können, wenn es die Verantwortung daraus ist, dass die evangelische Kirche in Deutschland als ganzes in der NS-Zeit angesichts der Nazi-Verbrechen der Verfolgung versagt beziehungsweise geschwiegen hat", sagt Mensing. In der Versöhnungskirche findet zudem jeden Sonntag um 11 Uhr ein Gottesdienst statt.