Krimidinner, Luthermahl und der Verkauf von Papier-Engeln aus den Seiten alter Gesangbücher: Um Geld für eine Erweiterung der örtlichen Kirche zu sammeln, hat sich das Spendenteam der evangelischen Kirchengemeinde St. Reinoldi Rupelrath in Solingen einiges einfallen lassen, das über Briefaktionen und ein Spendenportal hinausgeht. Allein in den ersten sechs Monaten kamen so über 500.000 Euro für das Millionen-Bauvorhaben zusammen, das mehr Raum für das gewachsene Gemeindeleben schaffen soll. Das Projekt "rupelrath 3.0", das aus zweckgebundenen Rücklagen und Spenden finanziert wird, konnte beginnen.
Ein Jahr später ist der erste Bauabschnitt abgeschlossen: Am heutigen Sonntag (24. Juni) eröffnet die Gemeinde mit einem Gottesdienst einen lichtdurchfluteten Neubau, der als "Raum der Begegnung" die Kirche mit dem benachbarten Gemeindehaus verbindet. Bis Ende des Jahres werden nun Kirche und Gemeindehaus saniert und modernisiert.
In den Landeskirchen sind flächendeckend Profis am Werk
"Das ist eine sehr lebendige Gemeinde", lobt Sieglinde Ruf, Referentin für Fundraising der Evangelischen Kirche im Rheinland, die der Gemeinde beratend zur Seite stand. Ruf entwickelte mit dem Spendenteam ein mehrstufiges Modell: Bedarfs- und Potenzialanalysen wurden erstellt, Spendenrundschreiben und Dankesbriefe aufgesetzt, neue Ideen gesammelt und umgesetzt.
Fundraising, das professionelle Sammeln von Geldspenden, hat in den vergangenen Jahren in der evangelischen Kirche an Bedeutung gewonnen. Hauptgrund ist der Rückgang der Kirchensteuereinnahmen durch sinkende Mitgliederzahlen. Mittlerweile sind in den 20 deutschen Landeskirchen flächendeckend Profis am Werk. Eine Ausbildung bietet die bundesweit erste Fundraising-Akademie in Frankfurt am Main an.
Spenden machten bislang lediglich rund sechs Prozent der kirchlichen Einnahmen aus, würden aber immer wichtiger, sagt Akademie-Geschäftsführer Thomas Kreuzer. "Großspenden, Vermächtnisse und Erbschaften sind dazu gekommen." Kirchen aus Süddeutschland hätten etwa die Nachlass-Initiative "Was bleibt" mit Internetauftritt und Wanderausstellung auf den Weg gebracht, die den ersten Preis des Deutschen Fundraising-Verbandes erhielt. Die hannoversche Landeskirche habe als erste Ehrenamtliche ins Fundraising eingebunden.
Nachholbedarf hat hier die katholische Kirche: Derzeit gibt es nur in neun der 26 Diözesen einen Fundraiser. Häufig werde die Stelle beim Ausscheiden des Amtsinhabers nicht automatisch wiederbesetzt, erklärt Udo Schnieders, vor 16 Jahren erster Fundraiser in der katholischen Kirche und mittlerweile Berater in der freien Wirtschaft. Ein Hemmschuh sei zudem die gute Wirtschaftsentwicklung: "Da ist die Lernbereitschaft leider gering, antizyklisch Vorsorge zu betreiben."
Fundraising als selbstverständlicher Bestandteil des kirchlichen Lebens
Auch Ruf mahnt, das konjunkturbedingt höhere Kirchensteueraufkommen zu nutzen: "Wir haben jetzt die Chance, die Strukturen zu schaffen, um das Fundraising als selbstverständlichen Bestandteil des kirchlichen Lebens zu etablieren", sagt die Expertin.
Das Fundraising könne Ausfälle bei der Kirchensteuer zwar nicht auffangen, sagt Rufs Kollege Hansjörg Federmann von der westfälischen Kirche. Aber wenn eine kleine Gemeinde dadurch verlässlich mit zusätzlichen 20.000 bis 30.000 Euro rechnen könne, mache das eine Menge aus, betont der Fundraiser.
Im Unterschied zu kurzfristigen Spendenaufrufen würden beim Fundraising Beziehungen aufgebaut, erklärt Pfarrer Federmann. "Es geht nicht ums Jagen und Sammeln, sondern ums Säen und Ernten." Menschen würden zusammengeführt, ein Projekt entstehe und wachse. "Das stärkt die Identifikation und zieht weitere Kreise."