Es war ein großer Moment, als am 4. Oktober 2013 auf der Langenberg-Kampfbahn im nordhessischen Baunatal-Großenritte das Spiel angepfiffen wurde: Die Fußballmannschaften der "SG Himmelblau" (einer Pfarrerauswahl) und des "FC Dreitageblau" (dem Kirmesburschenteam) standen sich gegenüber. Rund 100 Zuschauer waren gekommen – ein schöner Erfolg für den Förderverein Kreuzkirche Großenritte e. V. Nicht nur, dass ihm die Einnahmen dieses Benefizspiels zugute kamen – vor allem waren der Verein und sein Anliegen einmal mehr in der Öffentlichkeit präsent: Die Lokalpresse berichtete, man war im Gespräch, sogar über Facebook konnte man sich informieren.
"Wir konnten auf uns aufmerksam machen"
"Wir haben immer wieder Aktionen gestartet, bei denen uns der Werbeeffekt wichtiger war, als das reine Spendensammeln", berichtet Christa Palmié, erste Vorsitzende des Fördervereins. "Wenn wir samstags morgens vor dem Edeka-Markt Waffeln gebacken haben, dann kam da nicht so viel zusammen an Verkaufserlös. Aber wir waren präsent und konnten auf uns aufmerksam machen." Gegründet wurde der Verein im Jahr 2010. Damals hatte man festgestellt, dass die Kreuzkirche im Baunataler Stadtteil Großenritte zwar von außen noch gut aussah, aber von innen bedrohte der Schimmel das alte Gemäuer – immerhin stand der 500. Geburtstag des Gotteshauses kurz vor der Tür. Auf 570.000 Euro wurden die erwarteten Kosten für die Innensanierung beziffert – zu viel für den Etat der Kirchengemeinde.
###mehr-artikel###Denn der Erhalt kirchlicher Baudenkmäler in den evangelischen Kirche in Deutschland ruht finanziell nach wie vor auf zwei Säulen: Zum einen auf Mitteln der jeweiligen Landeskirchen (Kirchbauetats, Baubeihilfen, etc.), zum anderen aber vor allem auf dem, was die Kirchengemeinde vor Ort als Eigentümerin des Gebäudes aufbringen kann. Ausnahmen davon bestehen allenfalls bei Kirchen, deren Baulast aus historischen Gründen bei kommunalen Trägern liegt.
Im ersten Jahr sammelten die Vereinsmitglieder des Kreuzkirchenfördervereins in Baunatal 12.000 Euro an Spenden. Eine stolze Summe – aber weit entfernt von den rund 250.000 Euro, die an zusätzlicher Finanzierung benötigt wurden. Schnell war klar, dass eine zusätzliche Förderung an Land gezogen werden musste. Aber welche weiteren Fördermöglichkeiten haben Kirchengemeinden überhaupt, wenn die verfügbaren Mittel nicht ausreichen? Zum einen wäre da natürlich die staatliche Denkmalpflege. Aber hier ist die Konkurrenz an Gebäuden naturgemäß groß. Zum anderen gibt es in der EKD die "Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland" (Stiftung KiBa).
Jeder vierte Antrag kommt durch
Diese fördert grundsätzlich die Instandsetzung von Kirchen, wenn diese auch als Gottesdienstraum genutzt werden. Dafür erwartet sie natürlich auch eine angemessene Eigenbeteiligung der Kirchengemeinde. Über die Förderanträge entscheidet einmal im Jahr ein Vergabeausschuss. Bei einem Ausschüttungsvolumen von durchschnittlich rund einer Million Euro kann allerdings nur ungefähr jedem vierten Antrag stattgegeben werden. Die durchschnittliche Förderung liegt zwischen 20.000 und 40.000 Euro.
Mit einer Förderung ist aber in der Regel noch ein weiterer, größerer Vorteil verbunden: "Die Hebelwirkung einer KiBa-Förderung liegt ungefähr bei eins zu zehn" erklärt der Geschäftsführer der Stiftung KiBa, Thomas Begrich. Das bedeutet, dass sich aufgrund des Renommées der Stiftung häufig weitere Zuwendungen, zum Beispiel von Kommunen oder der Deutschen Stiftung Denkmalschutz anschließen, die die Fördersumme insgesamt verzehnfachen. Auch die Stiftung KiBa setzt nach Begrichs Worten sehr auf die Wirkung von Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb ist man nicht zuletzt stolz auf die Erfolge des zugehörigen Fördervereins, der inzwischen rund 2.800 Mitglieder zählt.
Hessische Besonderheit
Eine dritte Fördermöglichkeit neben staatlichen Programmen und der Stiftung KiBa bieten schließlich landeskirchliche Stiftungen. Allerdings gibt es nur in den Landeskirchen von Bayern, Württemberg, Oldenburg, Braunschweig und Kurhessen-Waldeck eine solche Stiftung. Die "Stiftung Kirchenerhaltungsfonds" der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) bietet dabei allerdings eine Besonderheit.
Gegründet wurde sie im Jahr 2001 aufgrund der Erkenntnis, dass die normale Baumittelverteilung der Landeskirche nie ausreichend war und sich hauptsächlich auf "Dach und Fach", also die äußere Gebäudeerhaltung konzentrieren musste. So schrieb man in die Satzung, dass man sich mit der Stiftung ausschließlich um Innenrenovierungen und Orgelsanierungen kümmern wollte. Das aber nach einem ganz speziellen Konzept: Unter dem Motto "Ein Euro für einen Euro" arbeitet man hier nach einem "Bonifizierungsprinzip", wie es in der Fundraising-Sprache heißt. Jeder Euro, den Ehrenamtliche an Spendengeldern sammeln, wird bei einer Förderung verdoppelt. Bewerben kann sich jede Kirchengemeinde der EKKW, die Eigentümerin eines denkmalgeschützten Kirchengebäudes ist (was auf 95 Prozent der Kirchen in der Landeskirche zutrifft).
Allerdings geht das nicht direkt, sondern es geschieht über das normale Baumeldeverfahren über den Kirchenkreisvorstand: Die Dekaninnen und Dekane melden so bei der Baumittelbeantragung auch Baumaßnahmen, die Ihnen für eine Stiftungsförderung geeignet erscheinen. Der Stiftungsvorstand entscheidet dann einmal im Jahr über die Aufnahme ins Stiftungsprogramm und gibt den Kirchengemeinden Bescheid. Das geschieht in der Regel im Sommer – und dann läuft der Countdown. Bis Anfang Dezember ist dann Zeit, Spenden einzuwerben, die schließlich verdoppelt werden.
Spitzenreiter bei den Förderprojekten
Für Christa Palmié und ihre MitstreiterInnen vom Baunataler Förderverein Kreuzkirche war das im vergangenen Jahr dann auch der Startschuss für eine aufregende und arbeitsreiche Zeit. Dem Engagement und der Kreativität schienen kaum Grenzen gesetzt. Es wurden Benefizkonzerte organisiert - von örtlichen Vereinen bis zur Chansonsängerin, es gab Kabarettveranstaltungen, Vorträge, einen Bücherflohmarkt und einen Sponsorenlauf. Beim Kultursommer machte man die Bewirtung und beim Adventskonzert wurden Schmalzbrote und Glühwein verkauft. Außerdem stellte man Spardosen in Geschäften und Arztpraxen auf, machte eine "Kirchenbrot"-Backaktion, arbeitete mit den Landfrauen und den Kirmesburschen zusammen, schrieb einen Brief an alle Gemeindemitglieder und vieles mehr.
"Das Ergebnis hat uns selbst überrascht," so Palmié: Als am 28. Januar in einer Feierstunde in Kassel die Fördermittel der Stiftung Kirchenerhaltungsfonds übergeben wurden, war für die Kreuzkirche der mit Abstand größte Betrag von allen Förderprojekten "eingespielt" worden: 133.800 Euro. Durch die Verdopplung wurde somit die angestrebte Summe von 250.000 Euro sogar noch übertroffen.
Stiftungserträge vom Finanzmarkt abhängig
Die Kirchenleitung sieht die Arbeit ihrer Stiftung auf jeden Fall als Erfolgsmodell. Und die Landessynode teilt diese Meinung offensichtlich. So hat sie gerade erst das Stiftungskapital um 10 Millionen Euro aufgestockt. "Ziel war es immer, jedes Jahr wenigstens ein Projekt pro Kirchenkreis fördern zu können" sagt Erwin Ritte vom Stiftungsvorstand. Und das ist so wieder möglich – allerdings auch, weil die Synodalen beschlossen, mit weiteren 250.000 Euro Sonderzuweisung entstandene Zinsverluste auszugleichen.
###mehr-links###Und damit wäre auch ein nicht zu unterschätzendes Problem für Förderungen durch Stiftungen benannt: Laut Thomas Begrich von der Stiftung KiBa spielt die Finanzmarktlage für den Ertrag von Stiftungskapital natürlich eine große Rolle. Um so wichtiger sei die unmittelbare Spendeneinwerbung: "Kirche wird von Menschen finanziert, nicht vom Finanzmarkt", so Begrich. Und weil das so ist, stellt sich die Frage, ob die Förderpraxis der Stiftung Kirchenerhaltungsfonds der EKKW nicht ein Modell wäre, das zum Nachahmen anregen könnte. Sicher, die Höhe der Förderung hängt so auch nicht unwesentlich von der sozialen Struktur in der Kirchengemeinde ab.
Eine solche Praxis kann also kaum das einzige Instrument sein. Es braucht auch weiterhin Institutionen, die da fördern, wo Menschen wenig Chancen überhaupt haben, an Mittel heranzukommen.
Die Männer und Frauen vom Förderverein Kreuzkirche Großenritte aber können jetzt auf jeden Fall einen Sekt aufmachen und vielleicht gemeinsam mit den Landfrauen, Musikvereinsmitgliedern, Kirmesburschen und allen anderen Beteiligten anstoßen. Ach ja, das Fußballspiel ging übrigens unentschieden aus, zwei zu zwei. Und trotzdem gab es eigentlich nur einen echten Sieger: Die altehrwürdige Kreuzkirche.