Jubelnde Menschen mit Flaggen beim Eurovision Song Contest
Foto: Jörg Carstensen/dpa
ESC-Fans jubeln und winken mit verschiedenen Länderfahnen.
Himmlisches vom Eurovision Song Contest 2018
Himmlisch bis göttlich: Jens Gesper ist für evangelisch.de in Lissabon und hat spirituelle Splitter aus den Liedtexten und aus den vergangenen 14 Tagen der Proben und Pressegespräche beim Eurovision Song Contest zusammengestellt.

#allaboard ist der offizielle Hashtag für den 63. Eurovision Song Contest, dessen Finale am Samstagabend in Lissabon über die Bühne geht. Aber bevor aufgeregt lesende popmusikliebende Europäer gegen die Islamisierung der Abendunterhaltung Schnappatmung bekommen, da steht gar kein "h". Hier geht es nämlich um "All Aboard", das spielt wie die ganze Veranstaltung auf die maritime Ausrichtung des 10,5-Mio.-Gastgeberlandes an, das bei einer Gesamtfläche von rund 92.000 Quadratkilometern eine Küstenlänge von immerhin fast 1800 Kilometern hat und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die führende europäische Seemacht war. Das Leitmotiv bedeutet "Alle an Bord" und neben Portugal nehmen 42 weitere Länder teil. 43 Lieder sind zuviel für eine einzige Veranstaltung. In zwei Halbfinal-Sendungen wurden zunächst am Dienstagabend aus 19 und am Donnerstagabend aus 18 Beiträgen jeweils zehn Lieder fürs Finale am Samstag gewählt, die den Gastgeber und die großen Länder als Hauptfinanziers des ESC ergänzen.

Aber auch wenn es hier tatsächlich nicht um Allah geht, wie ist das mit der Religion beim Eurovision Song Contest in Lissabon? Hier ein paar spirituelle Splitter aus den Liedtexten und aus den vergangenen 14 Tagen der Proben und Pressegespräche.

Blättert man im Programmheft, dann steht am Anfang des ersten Lieds des ersten Halbfinals als Allererstes der Titel: "X My Heart", ausgesprochen als "Cross My Heart", die deutsche Übersetzung für die Redewendung unterschlägt aber das Kreuz und bleibt weltlicher: Hand aufs Herz. Auch andere Vokabeln im Lied weisen in eine religiöse Richtung: Da ist die Rede von "heaven", also vom spirituellen Himmel, und von "divine", was göttlich bedeutet. Im Finale wird man das Lied trotz des Wortschatzes nicht hören. Aserbaidschan hat sich nicht qualifiziert, genau wie sein Nachbar Armenien. Blöd für beide, wenn in ihrem ersten Halbfinale der einzige Nächste in einem Umkreis von 1.200 Kilometern Luftlinie das Land war, für das man am wenigsten anrufen würde. Viele Dinge unterscheiden die Ex-Sowjetrepubliken, die Religions-Differenzen sind dabei besonders augenfällig zwischen den apostolischen Armeniern und den schiitischen Aseris.

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Das Wort "göttlich" kommt auch in den Texten von Netta Barzilai und Eugent Bushpepa vor, die es Beide ins Finale geschafft haben. Das erstgenannte verrückte Huhn aus Israel singt außerdem von den Predigern der neuen Zeit, der zweitgenannte Albaner sagte in seinem ersten Pressgespräch indes, dass Musik seine Religion sei. Als musikalische Götter habe er Jim Morrison, Jimi Hendrix, Elvis Presley auf den rechten Arm tätowiert, auf den linken Arm Eros, den griechischen Gott der Liebe. Aber das war wohl vornehmlich seinem Rockmusiker-Image geschuldet. Denn konkret darauf angesprochen erläuterte der 33-Jährige, der eigentlich als junger Mann in Italien Medizin studieren wollte, dort dann aber stattdessen sein Leben finanzieren musste, sein aktuelles Engagement für behinderte Kinder genau wie für Menschenrechte. Und ganz selbstverständlich führte er aus: "Ich bin ein gläubiger Mensch, ich liebe Gott, liebe Jesus Christus, ich bin Katholik."

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In seinem Lied singt er auch über die Seele, in diesem Fall heißt das Wort "shpirt ", denn er singt sein Lied tatsächlich auf Albanisch. Die "Soul" als englische Entsprechung hat es mit Equinox für Bulgarien ins Finale geschafft und ist mit Malta im Halbfinale gescheitert, für Slowenien geht es bei Lea Sirk mit dem Wort "duše" um eben dasselbe im Finale.

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Der Norweger Alexander Rybak, ESC-Sieger in 2009, ermutigt seine Zuhörer am Samstag, ihre Mission zu finden und daran zu glauben. Um Glauben geht es auch bei anderen: Polen kam mit "lip of faith" nicht weiter, im Finale befürchtet der Ukrainer Mélovin, dass Glaube abgeschlagen werden könne, die Britin SuRie betont, dass sie weiterhin glaube und Regenbögen jage.

Um biblische Bilder geht es bei den gescheiterten Schweizern, die im Halbfinale von den Sünden der Väter sangen, während der Niederländer Waylon als falscher Cowboy auch im Finale gleich zu Beginn seines Liedes unterstreicht, dass es einen kleinen feinen Unterschied zwischen Whiskey und der Wasser-in-Wein-Vorstellung gibt. Der Ire Ryan O‘Shaughnessy singt zu parallel inszenierten Liebesgeschichten, einmal hetero-, einmal homosexuell, vom Bis-dass-der-Tod-uns-Scheidet. Das Tänzerpaar der schwulen Liebe im irischen Lied wurde in der chinesischen Halbfinal-Übertragung übrigens ebenso herauszensiert wie der zahlreich tätowierte Albaner, deshalb darf Mango TV das Finale am Samstag Gott sei Dank nicht mehr übertragen.

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Den Namen des Herrn direkt führte der Montenegriner im Mund und scheiterte, der Tscheche Mikolas Josef nutzt ihn im Finale zum Fluchen, für den Österreicher Cesár Sampson ist "Lord" das erste Wort im Lied. Im Pressgespräch unterstrich er ausdrücklich, dass er sein Lied sowohl als Liebes- als auch als spirituelles Lied verstanden wissen möchte.

Zwei weitere kleine Splitter von den Pressekonferenzen: Ganz direkt gefragt, was er als Letztes vor seinem Auftritt mache, führte der Schwede Benjamin Ingrosso aus, dass er bete, während die im Halbfinale geschasste Kroatin von ihren Anfängen im Kirchenchor erzählte. Das Ambiente der Proben damals, als sie acht, neun, zehn Jahre alt gewesen sei, beschrieb sie jetzt "It was very Hallelujah", also: Es war sehr Halleluja. Am Ende ihrer Ausführungen aber ein klarer Appell: Alle Kinder sollten in Kirchenchören singen, das sei cool.

Soweit der Werbeblock, aber jetzt zurück zum Finale. Das letzte Lied im Wettbewerb selbst kommt am Samstagabend aus Italien: Während die Anfänge der Melodie "Non mi avete fatto niente", auf Deutsch: Ihr konntet mir nichts anhaben, im Internet sehr gut bis 2015 zurückzuverfolgen sind, ist der starke Text von den verschiedenen islamistischen Terroranschlägen der jüngsten Zeit inspiriert. Das Widerstands-Lied gegen die Angst, die Hymne fürs freie Leben westlicher Prägung bringen der gebürtige Römer Fabrizio Moro und der gebürtige Albaner Ermal Meta gemeinsam auf Italienisch auf die Bühne. Im Text heißt es: "Es gibt diejenigen, die das Kreuz schlagen, und diejenigen, die auf Teppichen beten, die Kirchen und die Moscheen, den Imam und all die Priester, getrennte Eingänge desselben Hauses, Milliarden Menschen, die auf etwas hoffen."

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Kurz danach heißt es: "Il mondo si rialza col sorriso di un bambino, col sorriso di un bambino, col sorriso di un bambino." Also: Die Welt ersteht wieder auf mit dem Lächeln eines Kindes, mit dem Lächeln eines Kindes, mit dem Lächeln eines Kindes. Diese dreifach Bekräftigung am Ende kann man humanistisch ganz wörtlich oder aber auch spirituell im übertragenen Sinn verstehen.