Nach einem mutmaßlichen Fall von religiösem Mobbing an einer Berliner Grundschule steigt der Druck auf die muslimischen Verbände. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sprach am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin von einer "Bringschuld seitens der muslimischen Verbände". Sie müssten ganz konkret darauf achten, was von einigen Imamen innerhalb der Moscheen gepredigt werde. Polizei und Politiker forderten zudem die Einrichtung eines bundesweiten Registers für Vorfälle dieser Art.
Mit Blick auf die Inhalte islamischer Predigten sagte Schuster: "Hier ist, glaube ich einiges im Argen." Er äußerte sich besorgt über eine wachsende Zahl antisemitischer Vorfälle besonders in Großstädten. Zwischen jüdischen und muslimischen Verbänden gebe es zwar eine Zusammenarbeit, aber was die Frage des Antisemitismus angeht, gebe es bislang wenig gemeinsame Projekte, sagte der Zentralrats-Präsident weiter.
Als Reaktion darauf bot der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter an, dass zehn Imame "vorzugsweise mit Rabbinern in die Klassen gehen und für Dialog, Aufklärung und gegenseitige Achtung aus ihren religiösen Selbstverständnis werben". Weiter erklärte er: "Ich würde mich freuen, wenn die jüdischen Gemeinden mitmachen." Zusätzlich stelle der Zentralrat der Muslime junge Peertrainer und -trainerinnen für religiöse und weltanschauliche Vielfalt und Verständigung zu Verfügung, sagte Mazyek.
Schuster unterstützte angesichts einer Zunahme von Antisemitismus und religiösem Mobbing in Schulen den Vorschlag, eine bundesweite Statistik für Vorfälle dieser Art einzurichten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangte in der "Bild"-Zeitung (Dienstag) ein "Bundeslagebild zur Gewalt an Schulen". Der baden-württembergische Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, Michael Blume, sprach sich ebenfalls für eine bundesweite Statistik zur Erfassung von Gewaltvorfällen an Schulen aus. Eine Statistik helfe zu sehen, "wo man nachsteuern muss", sagte Blume.
Der Fraktionsvize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Harbarth, sagte, wer jüdisches Leben in Deutschland ablehne, sei nicht Teil unserer Gemeinschaft. Antisemitismus sei nicht integrierbar. "Wir können das Problem an den Schulen aber nicht allein den Lehrerinnen und Lehrern aufbürden. Die Länder müssen mit allen Mitteln der Konzentration von Migranten an bestimmten Schulen entgegenarbeiten." Dafür gebe es unter anderem das Mittel der Wohnsitzauflage.
Unterdessen meldete sich auch der Vater des betroffenen Mädchens zu Wort. Es gehe bei dem Vorfall nicht um Antisemitismus, sagte der 41-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag in Berlin. "Es geht darum, dass einige Kinder aus muslimischen Elternhäusern andere Kinder verfolgen oder mobben, nur weil sie nicht an Allah glauben." Dabei sei völlig egal, ob es sich um Christen, Atheisten, Juden oder andere handele. Aber auch innerhalb der muslimischen Schülerschaft würden Kinder ausgegrenzt, weil sie beispielweise "in die falsche Koranschule gehen".
Ein Klima der Ausgrenzung
Die Tochter des Mannes wurde nach seinen Aussagen an der Paul-Simmel-Grundschule in Berlin-Tempelhof in den vergangenen Jahren mehrfach von muslimischen Schülern angepöbelt, weil sie nicht an Allah glaubt. Auch mit dem Tode sei ihr deswegen von muslimischen Mitschülern gedroht worden. Der Vater betont, dass die Mitschüler bei den ersten Beschimpfungen und Drohungen noch gar nichts davon gewusst hätten, dass ein Elternteil des Mädchens jüdischer Herkunft sei. Das spiele im Leben der Familie aber auch keine Rolle, weil sie nicht religiös seien.
Politik, Bildungsverwaltung und Schulleitung wirft der Mann vor, gegen dieses Klima der Ausgrenzung nichts zu unternehmen und die Vorfälle zu relativieren. Die Familie habe deshalb keine andere Möglichkeit gesehen, als sich an die Medien wenden. Auch die Frauenrechtlerin, Anwältin und Gründerin einer liberalen Moscheegemeinde Seyran Ates sieht in dem Vorfall eine prinzipielle Geschichte. "Es geht hier eben nicht nur um Antisemitismus", sagte Ates der "Berliner Zeitung" (Dienstag). "Es geht hier um die Frage, wie wir als Gesellschaft künftig zusammenleben wollen. Werte wie Toleranz und universelle Menschenrechte sollten weiter die Grundlage unseres Zusammenlebens sein."