Wer sich mit Paris Papageorgiou unterhält, braucht Geduld. "Es ist leichter für uns geworden", sagt er, aber dann muss er schon wieder ein paar Hände schütteln, ehe er weitersprechen kann. Papageorgiou steht im Eingangsportal der evangelischen Kirche in Katerini an der Ostküste Griechenlands. Es ist Sonntag, kurz nach zwölf, der Gottesdienst gerade vorüber. Die Gemeindemitglieder drängen aus dem schlichten Inneren der Kirche ins Sonnenlicht, vorbei an Papageorgiou. Weil der Pfarrer an diesem Tag verreist ist, verabschiedet er als Mitglied des Ältestenrats die Kirchgänger.
"Die Gesellschaft ist toleranter geworden, für uns macht das vieles leichter", sagt Papageorgiou und nickt weiter den hinauseilenden Gottesdienstbesuchern zu. Die Protestanten in Katerini leben als Christen inmitten von Christen - eine winzige Minderheit. Nach offiziellen Zahlen gehören 98 Prozent der elf Millionen Griechen der orthodoxen Konfession an, die Zahl der Protestanten wird auf 30.000 geschätzt. Die evangelische Gemeinde in Katerini ist eine von wenigen im Land - und eine der größten.
Kirchenbau nach "Bevölkerungsaustausch"
"Es gibt zwar evangelische Kirchen in Griechenland, die mehr Mitglieder haben, aber hier wohnen die meisten Protestanten in einem Stadtgebiet beisammen", erklärt Papegeorgiou auf Deutsch, er hat einige Semester Archäologie in Heidelberg studiert.
Verlassen liegen die Straßen mit ihren kastenförmigen Wohnblocks am Sonntagmittag da. Nur der Platz vor der Kirche - ein gepflegtes, beiges Gebäude mit Turm - ist nach dem Gottesdienst voller Menschen. Erwachsene stehen beisammen, Jugendliche sitzen etwas abseits. Ab und zu kreuzt ein Vogel den Himmel.
Die Kirche bauten die evangelischen Christen, kaum waren sie in Katerini ansässig geworden. Ein knappes Jahrhundert liegt das zurück. Nach dem griechisch-türkischen Krieg vereinbarten beide Staaten Anfang der 1920er Jahren einen "Bevölkerungsaustausch". Rund 500.000 Menschen wurden aus Griechenland in die Türkei vertrieben und umgekehrt 1,2 Millionen Griechen, die in der Türkei lebten, nach Griechenland abgeschoben. Darunter waren auch Protestanten, ein guter Teil von ihnen ließ sich in Katerini nieder.
Es sei heute nichts dabei, evangelisch zu sein, sagt ein etwa 15 Jahre altes Mädchen in Shorts, das vor der Kirche in einer Runde von Gleichaltrigen sitzt. Die anderen nicken, dann wenden sie sich wieder ihren Handys zu.
Bis dahin aber war es ein weiter Weg. "Als Minderheit, die noch dazu aus dem Ausland kam, standen Protestanten lange unter dem Verdacht, von ausländischen Mächten gesteuert zu sein", erzählt Papageorgiou - vor allem nach dem Bürgerkrieg in den späten 1940er Jahren. Mit der Stadt habe es immer wieder Streit um das Grundstück neben der Kirche gegeben, und in den 1960er Jahren sei Katerini sogar eine Zeit lang ohne Pastor gewesen.
Nachdem der Pfarrer - ein Zypriot mit britischem Pass - einmal ausgereist war, habe man ihn aus Misstrauen nicht wieder ins Land gelassen. Mit dem Kollaps der griechischen Militärjunta 1974 sei es jedoch immer besser geworden. "Nicht jeder akzeptiert uns, aber mit der Demokratie kehrte auch die Toleranz zurück", erklärt Papageorgiou. Seine Nichte zum Beispiel sei mit einem Orthodoxen verheiratet, und ein jeder von ihnen habe seine Konfession beibehalten.
Doch nicht immer scheinen die Konfessionen ganz ohne Polemik auszukommen. Zwei Autostunden entfernt liegen die "schwebenden" Klöster von Meteora, Touristenmagnete, die auch aus dem James-Bond-Film "In tödlicher Mission" bekannt sind. Dort wird im Kloster Agia Triada das Buch "Was ist Orthodoxie?" auf mehreren Sprachen verkauft.
Darin werden vor allem die Unterschiede zwischen den Konfessionen betont. Die Protestanten seien mit Frauen im Pfarramt und der Segnung homosexueller Beziehungen nicht nur zu "extremen Entscheidungen" gelangt, heißt es in der deutschen Ausgabe, sondern bewiesen damit auch, sich zu einer "rein humanistischen Organisation" zu bekennen. Mit Gott hätten sie nichts zu tun. Die orthodoxe "Kirche von Griechenland" hat sich auf eine Anfrage des Evangelischen Pressedienstes zu den Beziehungen mit den Protestanten nicht geäußert.
Es gibt auch nicht-orthodoxe Griechen
Andreas Müller, Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Kiel, weiß um die schwierige Rolle der Protestanten im Umfeld einer orthodoxen Mehrheit. "Religion und kulturelle Identität sind in Griechenland derart verbunden, dass viele nicht verstehen, dass es auch nicht-orthodoxe Griechen gibt", sagt der Griechenland-Experte. Das erschwere auch die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen.
Und im vergangenen Jahr war mit Metropolit Georgios aus Katerini bei einem Konzert kurz vor Ostern zum ersten Mal überhaupt ein Vorsteher der Orthodoxen in der protestantischen Kirche zu Gast. Ob er in diesem Jahr wieder kommt, steht noch nicht fest. "Eingeladen ist er", sagt Yphandides.