Kurt Perrey ist ein Jäger und Sammler: Seit der pensionierte Pastor vor vielen Jahren zufällig auf eine alte Fliese mit einem biblischen Motiv stieß, sucht, fotografiert und dokumentiert der Theologe die 13 mal 13 Zentimeter großen Keramiken. In seiner ostfriesischen Heimatstadt Norden und seiner neuen Wahlheimat Emsdetten bei Münster nennen ihn die Menschen den "Bibelfliesen-Pastor". Mittlerweile hat er zahlreiche Mitstreiter mit seiner Begeisterung infiziert und mit ihnen eine bundesweit gefragte Wanderausstellung entwickelt, die im kommenden Jahr zum 100. Mal eröffnet wird.
Besonders die Fliesen mit den Weihnachtsmotiven haben es ihm angetan. "Wenn man einmal anfängt Motive zu sammeln, kann man nicht mehr aufhören", sagt der 74-Jährige. Auf Perreys Lieblingsfliese verkündet ein Engel den Hirten auf dem Feld die Geburt Jesu. Die Keramik aus einer Amsterdamer Werkstatt ist rund 260 Jahre alt, rechts oben abgebrochen. Für den Pastor ein echtes Symbol: "Genau so geht es doch den meisten Menschen mit der Weihnachtsgeschichte - irgendwie angeknackst und doch wichtig".
Ostfriesischer Pastor sucht und sammelt Keramiken mit himmlischen Motiven
Bis zu 400 Jahre alt sind die wertvollen Fliesen im typisch friesischen Delfter Blau oder einem bräunlich-violetten Ton, der um 1700 modern wurde. Zumeist kommen sie aus niederländischen Werkstätten. Jede Fliese ist ein handbemaltes Unikat. "Bislang sind rund 600 unterschiedliche biblische Szenen bekannt", sagt Perrey. Die Weihnachtsgeschichte ist besonders oft vertreten.
Die Fliesenmaler kannten sich in der Bibel aus. Bei ihnen reduziert sich die Weihnachten nicht nur auf die Geburt im Stall. "Es ist alles da, selbst die unbekannteren Geschichten", berichtet der Pastor begeistert: "Schon vom Engel, der die Geburt von Johannes des Täufers verspricht, dem Ankündiger Jesu, gibt es eine Fliese." Es folgen die Ankündigung der Geburt an Maria, die Krippe mit und ohne Könige, der Kindermord des Herodes, die Beschneidung Jesu und sogar die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten. Insgesamt haben die wenigen Bibelfliesenexperten 20 Szenen der Weihnachtsgeschichte entdeckt.
Eine kleine Ausstellung mit den Motiven der Advents- und Weihnachtszeit ist derzeit in der Kreissparkasse Burgsteinfurt bei Münster zu sehen. Wer nicht so weit reisen möchte, kann sich die Wanderausstellung "Mit Bilderfliesen durch die Bibel" anschauen, die seit mehreren Jahren bundesweit durch Kirchengemeinden, Rathäuser und Museen tourt. "Eine echte Erfolgsgeschichte", schwärmt Perrey. Dort sind 96 Bibelfliesen zu sehen, die Älteste stammt aus dem Jahr 1640. Ab dem 14. Januar wird die Ausstellung in Bad Holzhausen bei Detmold gezeigt. Die 100. Schau ist im August in Norddeich zu sehen. Außerdem haben Perrey und seine Bibelfliesenteams 2008 eine "Fliesenbibel" herausgeben. Sie enthält passend zum Bibeltext rund 600 Fotografien von den historischen Wandfliesen.
In einigen alten Bauernkaten Ostfrieslands und in den Niederlanden sind noch ganze Wände mit bis zu 200 Bibelfliesen erhalten. Doch nach welchen Kriterien die Kunden die Motive auswählten oder ob die Fliesen vom Handwerker in zufälliger Reihenfolge an die Wand geklebt wurden, ist den Experten bis heute ein Rätsel.
Klar ist jedoch: Die Fliesen waren schon damals ein Luxusartikel. Vermutlich konnten die Bauern und Kaufleute in den streng calvinistisch geprägten Zeiten nur so ihren Reichtum zeigen. Denn Heiligenbilder oder Statuen waren streng verboten. Wohl aber durften sich die Menschen mit den biblischen Geschichten, den "Historien", beschäftigen - auch in Form von Bildern auf Fliesen, sagt Perrey mit einem Schmunzeln: "Schließlich sollte die Bibel allgegenwärtig sein."