Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mehr Engagement gegen eine wachsende Entsolidarisierung der Gesellschaft angemahnt. Die neue Bundesregierung müsse dafür sorgen, "dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinander geht", sagte Steinmeier am Montag nach einem Besuch mit seiner Frau Elke Büdenbender bei der Berliner Stadtmission am Bahnhof Zoo. Zugleich würdigte der Bundespräsident die ehrenamtliche Arbeit für Obdachlose und warb für mehr Engagement durch die Zivilgesellschaft.
Steinmeier betonte, die Berliner Stadtmission versorge am Bahnhof Zoo täglich zwischen 500 und 700 Obdachlose mit Kleidung, Lebensmitteln und einem Hygienezentrum. Das Versorgungszentrum auf insgesamt 400 Quadratmetern gilt als zentraler Anlaufpunkt für Bedürftige. Schätzungen zufolge leben in der Bundeshauptstadt zwischen 5.000 und 6.000 Menschen sichtbar obdachlos auf der Straße. Hinzu kommen rund 30.000 bis 40.000 Wohnungslose in der Stadt. Die Betroffen kommen den Angaben zufolge aus mehr als 80 Nationen.
Der Bundespräsident bezeichnete das Angebot der Berliner Stadtmission am Bahnhof Zoo als "Brennglas" für Hilfsangebote, um Obdachlosen "einen Lebensweg aufzuzeigen", damit diese "wieder Boden unter die Füße zu bekommen". Steinmeier hat Deutschlands älteste Bahnhofsmission in Berlin bereits zuvor mehrfach besucht und sich auch in seiner Promotion mit dem Thema Obdachlosigkeit befasst.
Künftig sollen die Angebote für Obdachlose am Bahnhof Zoo deutlich ausgebaut werden. Dazu stellt die Deutsche Bahn AG der Berliner Bahnhofsmission eine Fläche von weiteren 500 Quadratmetern für 25 Jahre kostenfrei zur Verfügung. In den Räumen sollen in den kommenden Monaten neue soziale und psychiatrische Beratungsangebote geschaffen werden. Das neue Zentrum soll Anfang 2019 eröffnet werden.
Zentrumsleiter Wolfgang Nebel sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), unter anderem sollen dort Ärzte der Berliner Bodelschwingh-Klinik Obdachlose untersuchen können. Nebel zufolge leiden etwa 70 Prozent der Obdachlosen an psychischen Erkrankungen. Die Betroffenen würden jedoch meist nicht zum Arzt gehen, deshalb sollen die Mediziner am Bahnhof Zoo künftig zu ihnen kommen.
Für mehr gesellschaftliche Teilhabe sind Nebel zufolge unter anderem neue Begegnungsräume geplant, in denen Konzerte, Ausstellungen und andere Kulturveranstaltungen für Obdachlose und andere interessierte Berliner angeboten werden sollen. Geplant sei zudem eine Dauerausstellung zum Thema "Was ist Obdachlosigkeit?", die sich auch an Touristen wende.
Die Umbaukosten für das "Zentrum am Zoo" werden auf rund 1,8 Millionen Euro veranschlagt. Steinmeier hatte vor rund einem Jahr eine persönliche Spende von rund 50.000 Euro für das Projekt überreicht. Auch der Berliner Senat will sich den Angaben zufolge unter anderem mit Lotto- und Haushaltsmitteln am "Zentrum am Zoo" beteiligen. Hinzu kommen weitere Spendengelder. Nach Angaben der evangelischen Berliner Stadtmission fehlen aktuell noch 325.000 Euro, um den Umbau am Bahnhof Zoo vollständig zu finanzieren.