Die schwarze Mischlingshündin Josette genießt es, nach draußen zu kommen, und zieht Peter Fritz mit voller Kraft die Anhöhe zum Stadtpark hinauf. Zurzeit sind es insgesamt erst drei Hunde, mit denen der Mainzer regelmäßig seine Runden dreht. Aber mit dem Ausführdienst "Hundetraum" verbindet der kurzhaarige Mann mit der rauchigen Stimme die große Hoffnung, noch einmal unabhängig vom Jobcenter zu werden. Vier Jahre lang lebte er selbst auf der Straße, später begann er, in der Evangelischen Wohnungslosenhilfe mitzuhelfen. Als dort der Gedanke aufkam, einen Hundesausgehservice aufzubauen, war Fritz sofort dabei: "Jeder Hund, der aufs Gelände kommt, hängt sowieso zuerst an mir", sagt er.
Tanja Scherer, die Leiterin der Mainzer Anlaufstelle für Menschen in sozialen Notlagen, war bei ihrer Arbeit mit wohnungslosen Männern und Frauen immer wieder aufgefallen, wie gut die Männer und Frauen mit Hunden umgehen konnten. Auch ihren eigenen Hund nahm sie häufiger mit ins Büro, und wenn sie einmal zu beschäftigt war, wusste die Diplom-Pädagogin den Vierbeiner bei Leuten aus dem Stammkundenkreis stets in guten Händen: "Meine Idee war, die Kompetenz dieser Menschen zu nutzen."
"Man begegnet sich auf Augenhöhe"
Die "Mission Leben", ein diakonisches Unternehmen mit Sitz in Darmstadt und 1.700 Mitarbeitern in Hessen und Rheinland-Pfalz, hatte seine Mitarbeiter schon vor einigen Jahren aufgerufen, sich Geschäftsideen für neue soziale Unternehmen auszudenken. Das Konzept "Hundetraum" zählte zu den Siegern eines internen Auswahlverfahrens und wurde mittlerweile auch für den bundesweiten Sozialpreis "Innovatio" nominiert.
In einer Pilotphase hatte Scherer an dem Geschäftsmodell gefeilt, verhandelte mit dem Jobcenter und dem Veterinäramt. Mehrere Hundesitter absolvierten schließlich einen Kurs in Erster Hilfe am Hund und erwarben einen sogenannten Hundeführerschein. Dabei stand ihr eine Tierärztin zur Seite, die in Mainz ehrenamtlich auch die Hunde von Obdachlosen impft. Im September 2016 startete der "Hundetraum" dann in die Pilotphase.
Beim ersten Vorstellungstreffen begleitet Scherer die Hundesitter stets zu den potenziellen Kunden. Sie glaubt, dass das Gassi gehen den Mitarbeitern unabhängig vom Verdienst auch über die Kontakte zu anderen Hundehaltern beim Weg zurück in ein geregeltes Leben hilft. "Auf der Hundewiese ist es egal, wer am Ende der Leine steht", sagt sie. "Man begegnet sich auf Augenhöhe." Eigentlich hat die Einrichtungs-Chefin aber ein noch viel ambitionierteres Ziel: Sie will eine richtige Hundetagesstätte für die Tiere von Berufstätigen eröffnen, als gemeinnützige GmbH mit eigenen Räumlichkeiten. Die Mitarbeiter sollen dort angestellt werden.
"Der Markt ist schon groß"
Bislang könne sie lediglich eine Ehrenamtspauschale zahlen, was ihr selbst Unbehagen bereite, sagt Scherer. Hundebesitzer zahlen nach einer kostenlosen Probephase 9,15 Euro pro Stunde, zu wenig, um mit der Arbeit je nennenswertes Gewinne zu erwirtschaften. Dass das Geschäftsmodell trotzdem funktionieren kann, davon ist Tanja Scherer dennoch überzeugt. Schließlich seien allein in Mainz 5.500 Hunde offiziell angemeldet: "Der Markt ist schon groß."
Das aktuell dreiköpfige Mainzer Hundetraum-Team glaubt ebenfalls an die Idee. Jaqueline Kessler, eine junge Frau, die schon Praktika im Tierheim gemacht hat, würde am liebsten nichts anderes mehr machen. Sie hofft auf einen "festen Arbeitsplatz, möglichst bis zur Rente".