Ein Altar in Buche, eine Kirchenbank ganz in Weiß, das Holzkreuz für die Wand: In den Herrnhuter Holzwerkstätten werden seit fast 70 Jahren Möbel und sakrale Gegenstände für Kirchen gefertigt. Im Angebot sind auch so historisch klingende Dinge wie Gesangbuchwagen, Liederanzeigen, Opferstöcke oder Schaukästen. Alles, was eine Gemeinde an festen Gegenständen für Liturgie und Gottesdienst braucht, stellen die Herrnhuter Tischler seit Jahrzehnten her. Selbst eine Bank zum Niederknien etwa bei Hochzeiten haben die Ostsachsen im Handwerks-Repertoire. Anders als die übrigen komplett hölzernen Dingen sind diese Kniebänke allerdings mit weichem Samt bezogen.
Die Herrnhuter Handwerker haben schon für prominente Gebäude gebaut. Ein besonderer Auftrag sei die Innenausstattung für die Dresdner Synagoge gewesen, "ein Prestigeobjekt", sagt der heutige Geschäftsführer Albrecht Kittler. "Da haben die Tischler ihren ganzen Stolz reingelegt". Das war 2001 und ist nun Firmengeschichte, ebenso wie die Arbeit an den großen Türen für den Berliner Dom.
In der DDR war auch Kirchenzubehör Mangelware
In der Gegenwart werden nicht mehr so viele Sakralmöbel angefragt wie zu DDR-Zeiten, wo alles Mangelware war, vor allem eben auch Kirchenzubehör, sagt Kittler. Altäre etwa seien jetzt weniger gewünscht. Für die Anfertigung brauchen die Tischler nur wenige Wochen, aber in manchen Jahren werden nur noch zwei bis drei Altäre bestellt. Interesse bestehe aber an Lesepulten oder Liederanzeigentafeln oder auch Opferstöcken.
Sehr beliebt seien noch immer die schon in den 1950er Jahren entwickelten Herrnhuter Klapptische. Sie würden gern von Kirchgemeinden oder Kindergärten, aber auch von Kommunen angefragt, weil sie schnell aufgestellt und nach Gebrauch platzsparend aufbewahrt werden können.
Die "Herrnhuter Holzwerkstätten GmbH" entstand 1950 als Tischlerei der Evangelischen Brüder-Unität. Die Freikirche, gegründet im 17. Jahrhundert von mährischen Flüchtlingen, hatte verschiedene Handwerksfirmen, darunter nach dem Zweiten Weltkrieg auch die Tischlerei.
Handwerk zur Selbsterhaltung der Brüdergemeine
Es ist nicht zwingend plausibel, dass zu einer kleinen Kirche wie der Herrnhuter Brüdergemeine mehrere Wirtschaftsbetriebe gehören. Dies geht auf die besondere geschichtliche Entwicklung zurück. Denn bei der Gründung Herrnhuts 1722 ging es zuerst darum, den Flüchtlingen aus Mähren eine neue Heimat zu geben, wo sie ihren evangelischen Glauben leben konnten. Die entstehende Gemeinschaft musste sich jedoch wirtschaftlich selbst erhalten. So gab es 1740 bereits eine Weberei und eine Seifensiederei sowie Tischler-, Goldschmiede- und Uhrmacherwerkstätten.
Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich in Herrnhut noch ein anderer Betrieb, damals wurden die ersten Advents- und Weihnachtssterne hergestellt. Längst ist die Werkstatt der Zackenwunder zu einer großen Manufaktur gewachsen. Jährlich werden rund 600.000 der berühmten Herrnhuter Sterne gefertigt.
Erweiterte Angebotspalette
Über die Jahrhunderte hat sich das Wirtschaftsgefüge immer wieder verändert. Heute haben die meisten Betriebe die Rechtsform einer GmbH, in der die Brüder-Unität allein oder aber nur zum Teil Unternehmer ist. Auch bei den Herrnhuter Holzwerkstätten ist die Freikirche nur noch mit einem Anteil dabei. Insofern hat sich das Geschäftsmodell geändert. 1990 musste sogar erst einmal eine Insolvenz abgewendet werden.
Inzwischen sind auch die Produkte andere geworden. Wurden anfangs fast ausschließlich sakrale Möbel hergestellt, so habe sich die Angebotspalette doch wesentlich erweitert, sagt Heiner Grohmann, der schon seit 1978 als Tischler in den Herrnhuter Werkstätten arbeitet.
Die Herrnhuter produzieren nun auch erfolgreich Türen, Fenster oder Trennwände. Seit einigen Jahren sind sie sogar Lizenznehmer einer österreichischen Firma für spezielle Funktionstüren. Gerade arbeiten die insgesamt 14 Mitarbeiter der Firma an einer Inneneinrichtung für ein Hamburger Hotel. "Wir sind eine kleine Firma und können auch individuell reagieren, auf Sonderwünsche eingehen", sagt Kittler. Das sei ein großer Vorteil.
"Viele sind überrascht über die gute Qualität", sagt Kittler und in seiner Stimme schwingt Stolz mit. Denn auch wenn weniger Sakralmöbel gebaut werden, solle die Handarbeit und Tischler-Tradition doch nicht abgeschnitten werden.
So ähnlich sieht das auch Grohmann, der vor 16 Jahren mit an der Innenausstattung für die Dresdner Synagoge gebaut hat. In einer Liturgie der Herrnhuter Brüdergemeine heißt es unter anderem: "Lass Handel und Gewerbe unter uns dir geheiligt sein; lass es redlich unter uns zugehen in allen Dingen. Lass uns an der Arbeitsstätte einander achten und nach deinem Willen leben." Und auch wenn statt Kirchen nun auch Büros, Apotheken oder medizinische Praxen ausgestattet werden, sei die Firma auf christlichen Grundsätzen gegründet. Fest steht auch: Die Herrnhuter Tischler halten eine traditionelle Handwerkskunst am Leben. Da ist es fast schon egal, ob der Auftraggeber eine Kirchgemeinde oder ein Hotelbesitzer ist.