Die Gräber liegen akkurat in einer Reihe. Gepflegt, mit roten Geranien umpflanzt. Auf den Kreuzen stehen Namen wie Hedwig, Ilse und Eleonora. Wer nicht auf die Geburts- und Todesdaten achtet, dem wird der dänische Friedhof nahe der Hafenstadt Esbjerg wie ein gewöhnlicher erscheinen. Doch er ist es nicht. Hedwig, Ilse und Eleonora gehören alle zur Familie Sahm und starben in den Jahren 1945 und 1946. Hedwig mit 71 Jahren, Ilse mit 45 und Eleonora mit drei Jahren.
Ein paar Meter weiter finden sich die Gräber der jüngsten Familienmitglieder: Ludwig, der nur zwei Jahre alt wurde, und Birgit, die als Baby starb. Die Familie hatte am Ende des Zweiten Weltkriegs zwar die Flucht aus Ostpreußen überlebt, aber nicht die Nachkriegsmonate in Dänemark. Ihre Mitglieder liegen zusammen mit rund 1.700 anderen Flüchtlingen auf dem dänischen Flüchtlingsfriedhof Oksböl - im Volksmund auch "Friedhof der Großmütter und Babys" genannt. Die meisten starben an Hunger oder Krankheit.
Das Meer spülte viele Tote an
Seit Ende 1944 war das besetzte Dänemark Ziel zahlreicher deutscher Schiffe, die Verwundete und Vertriebene aus Ostpreußen und Pommern in Sicherheit brachten. Mehr als eine Viertel Million Flüchtlinge blieben nach 1945 im Land, viele schwer krank. Die dänischen Ärzte waren überlastet, die Bestatter ebenso. Aus Zeit- und Raummangel ging man schließlich von der Erdbestattung zur Einäscherung über.
Doch die Schrecken des Krieges kamen nicht nur mit Schiffen nach Dänemark, viele Tote spülte das Meer selbst an. Darunter waren Zivilisten, deren Boote versehentlich von einem Torpedo getroffen worden waren. Aber auch deutsche Heeresangehörige und Matrosen von versenkten Schiffen trieben an Land.
In Dänemark ruhen insgesamt mehr als 24.000 deutsche Kriegstote: Neben rund 10.250 Soldaten sind es etwa 14.500 Vertriebene und Flüchtlinge. Darunter waren 7.000 Kinder, wie aus Dokumenten von Jörg Raab hervorgeht. Er ist der Geschäftsführer des bayerischen Landesverbands des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der die Reise zu den dänischen Kriegsgräbern organisiert und bezahlt hat.
Kriegsgräberfürsorge investiert jährlich 175.000 Euro
Tatsächlich hinterließen die Kämpfe und Gräuel des Zweiten Weltkrieges mehr Tote in Dänemark als offizielle Dokumente vermuten lassen. Im April 1940 besetzten deutsche Truppen in der Operation "Weserübung" das Land. Die Dänen fügten sich zunächst unter formellen Protest, um der Bevölkerung einen aussichtslosen Kampf zu ersparen. Bis 1943 herrschte relative Ruhe, dann entwickelte sich organisierter Widerstand mit Demonstrationen und Sabotageakten.
Die Wehrmacht hob die bis dahin geltende beschränkte Souveränität des Landes auf. Die Dänen schafften es aber, rund 7.000 Juden nach Schweden in Sicherheit zu bringen. Bis zur Befreiung des Landes am 9. Mai 1945 starben laut dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge rund 3.200 Dänen, 113 von ihnen wurden hingerichtet.
Die im Krieg getöteten deutschen Soldaten wurden nach dem Abschluss eines deutsch-dänischen Abkommens von 1962 auf 34 Kriegsgräberstätten zusammengebettet. Dazu gehören die Deutsche Kriegsgräberstätte Kopenhagen oder der Soldatenfriedhof Esbjerg. Rund 175.000 Euro, größtenteils Spenden und Mitgliederbeiträge, investiert die Deutsche Kriegsgräberfürsorge jährlich in die Erhaltung der Gräber.
Nicht weit entfernt von den Kreuzen der deutschen Soldaten in Esbjerg ragen eckige Grabsteine mit den Emblemen der "Royal Air Force", der "Royal Australian Air Force" oder der "Royal Canadian Air Force" in die Höhe: Mehr als 1.000 Soldaten des Commonwealth sind in Dänemark begraben. "Die meisten waren Piloten, die über dem Meer abgeschossen worden sind", erklärt Raab. "Flight Sergeant" oder "Flying Officer" steht auf den Grabsteinen sowie das Alter zum Todeszeitpunkt - viele kamen vor ihrem 30. Lebensjahr um.
An Gedenktagen wie dem Volkstrauertag erinnern die Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der britische Kriegsgräberverband, die "Commonwealth War Graves Commission", an alle im Krieg Verstorbenen. "Wir Deutschen legen zuerst Kränze auf die Gräber der Mitglieder des Commonwealth ab, dann umgekehrt", sagt Maurice Bonkat, Redakteur bei der Deutschen Kriegsgräberfürsorge in Kassel. Man wolle ein grenzüberschreitendes europäisches Gedenken etablieren.