Der Publizist Norbert Schneider bewertet die Aufbereitung des Reformationsjubiläums durch ARD und ZDF als enttäuschend. "Es gab einige exzellente Einzelstücke. Doch es wurde zu keinem Zeitpunkt sichtbar, welchen Rang dieses Großereignis für die Gesellschaft immer noch hat", schreibt Schneider in einem Beitrag für den Fachdienst epd medien.Offenbar hätten ARD und ZDF in dem Jubiläum primär ein kirchliches Ereignis gesehen - "und nicht eines der zentralen Ereignisse der Neuzeit, das das Fühlen und Denken vieler Menschen, das den Lauf der Welt in vielem verändert hat".
Das Leitmedium Fernsehen habe nicht erkennen lassen, wie breit und vielfältig das Erbe der Reformation sei, kritisiert der Theologe Schneider, der von 1993 bis 2010 Direktor der Landesanstalt für Medien (LfM) Nordrhein-Westfalen war. Dadurch sei eine publizistische Vermittlungsleistung für die ganze Gesellschaft ausgeblieben.
"Was heute jedem halbwegs wichtigen Fußballspiel vorausgeht, die Einstimmung in ein Ereignis, wurde mit Blick auf dieses Jubiläum nicht in Erwägung gezogen, weil man wohl unterstellt hat, dass man sein Publikum dafür weder interessieren kann noch muss", schreibt Schneider. "Man hätte dieses mögliche Desinteresse freilich auch als Herausforderung verstehen können, verbunden mit der Einsicht, dass es einen substanziellen Unterschied gibt zwischen Bedienung und Grundversorgung."
Konkret vermisst Schneider unter anderem ein umfassendes Luther-Porträt in einem dokumentarischen Format. Auch Luthers Beitrag zur Entwicklung der deutschen Sprache sei nicht thematisiert worden. Das Thema Ökumene sei nur am Rande vorgekommen. "Wo blieb das große Fernsehspiel der Gegenwart mit der bewegenden Geschichte eines Paares von heute zwischen Rom und Wittenberg?", fragt Schneider. Die "ethische Grunddifferenz", die nach Meinung katholischer Hierarchen zwischen den beiden Kirchen immer noch existiere, hätte einer solchen Geschichte "mühelos die nötige Fallhöhe verschafft".
Schneider studierte evangelische Theologie und Publizistik und war in seiner beruflichen Laufbahn auch als Geschäftsführer der Allianz Filmproduktion (1986-1993) und als SFB-Programmdirektor (1981-1986) tätig. Von 1976 bis 1981 war er Direktor des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP), das unter anderem die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd) trägt.