Feststimmung am Ursprungsort der Reformation: Dichtes Gedränge herrscht schon am Dienstagmorgen in den Straßen und in den Kirchen der Lutherstadt Wittenberg. Die ersten Gottesdienste zum 500. Reformationsjubiläum in der weltberühmten Schlosskirche mit der Thesentür sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund 450 Menschen hören dort die Predigt der Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann. Als der Einlass kurz vor 10 Uhr schließt, stehen immer noch hunderte Menschen draußen in der Schlange.
Parallel dazu gibt es Gottesdienste in der Stadtkirche und auf dem Hof der Leucorea, beide ebenfalls sehr gut besucht. In der letzten Reihe der Schlosskirche sitzen Irmgard und Stefan Stöhr. "Ein' feste Burg ist unser Gott. Reformationsjubiläum. 31.10.2017", steht auf ihren auffälligen, roten T-Shirts. "Die haben wir selbst bedrucken lassen", erzählt das Paar aus Vilshofen an der Donau.
Zum christlichen Glauben bekennen
Es ist zu merken, dass dieser Tag für die beiden evangelischen Christen etwas ganz Besonderes ist. Sie hatten gerade ihren 10. Hochzeitstag. Er war damals noch katholisch, als sie unbedingt heiraten wollten. Zum Jubiläum sind die Stöhrs nun das erste Mal in Wittenberg und feiern einen Gottesdienst in der Schlosskirche. Sie sind begeistert - von der Umgebung, der Atmosphäre.
Der Altar ist mit dem roten Antependium geschmückt, das die dänische Königin Margrethe eigens für die Schlosskirche gefertigt und vor etwas mehr als einem Jahr zur Wiedereinweihung des Gotteshauses nach umfangreicher Sanierung überbracht hatte. In der Mitte des Altarbehangs ist eine Lutherrose zu sehen - ein besonderer Blickfang an diesem Tag. Käßmann ruft in ihrer Predigt dazu auf, sich stärker zum christlichen Glauben in Deutschland zu bekennen. "Wir sollten uns ermutigt fühlen, damit nicht hinter dem Berg zu halten, so sehr andere uns auch belächeln oder gar beleidigen mögen dafür." Zugleich hebt sie die internationale Ausrichtung des Reformationsjubiläums hervor.
Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken
Die Schlosskirche ist weiträumig abgesperrt, es gelten strenge Sicherheitsvorschriften, da dort am Nachmittag auch der zentrale Festgottesdienst mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, stattfinden soll. Zum Gottesdienst und dem anschließenden Festakt im Stadthaus wurden auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet.
Im Zeichen der Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken steht auch der Gottesdienst am Vormittag in der Stadtkirche. Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, und der Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige, heben in einer Dialogpredigt die ökumenische Verbundenheit hervor, die im Jubiläumsjahr gestärkt worden sei. Anschließend werden neue Glasfenster unter dem Applaus von zahlreichen Wittenbergern und Gästen feierlich enthüllt.
Viele Touristen machen gut gelaunt ihre Selfies vor den Absperrungen, die berühmte Thesentür im Rücken, auch wenn es nicht mehr das Original von 1517 ist. Robert Moore von der Evangelical Lutheran Church in America freut sich, dass er so viele internationale Gäste an diesem Tag begrüßen kann. Mit zwei jungen Männern aus Seattle kommt er ins Gespräch. Überhaupt sind in den Straßen von Wittenberg, die an diesem Tag zeitweise auch zum Nadelöhr werden, viele verschiedene Sprachen zu hören.
"Where is the house of Martin Luther?", fragt ein Mann aus Mexiko, der mit einer Reisegruppe nach Wittenberg gekommen ist. Zu verfehlen ist das Lutherhaus, in dem aktuell noch die nationale Sonderausstellung "Luther! 95 Schätze - 95 Menschen" zu sehen ist, natürlich nicht. Es liegt quasi am Anfang der Festmeile.
Ein historisches Marktspektakel mit zahlreichen Buden, einer Stadtwache und anderen Kostümierungen verwandelt die Straßen und Plätze in das Mittelalter zurück. Dort herrscht Volksfeststimmung zwischen Waffelbäckern, Karussells, Weinbuden, Ständen mit Keramik und Likör und sämtlichen Luthersouvenirs, die dieses Jahr so hervorgebracht hat. Die Geschäfte sind geöffnet, die Besucher blättern in Büchern über Luther. Vor den Bäckergeschäften werden Reformationsbrötchen gegessen.