Mit der AfD hat eine offen rechtspopulistische Partei bei der Bundestagswahl fast 13 Prozent der Stimmen erreicht. Der sächsische Landesbischof Rentzing hat daraufhin einen vernünftigen Umgang aller Bundestagsparteien miteinander gefordert, und dass man konträre politische Auffassungen nicht mehr stigmatisieren solle. Halten Sie das für den richtigen Ansatz im Umgang mit Vertreterinnen und Vertretern rechtspopulistischer Positionen?
Henning Flad: Kirche ist nicht neutral in diesen Fragen und kann es auch nicht sein. Wir können nicht einfach abstrakt darüber sprechen und so tun, als würden wir dabei keine Rolle spielen. Kirche ist hier Partei - und Rassismus darf nie unwidersprochen bleiben. Zum anderen muss man aber immer gesprächsfähig bleiben innerhalb der Gemeinden. Auch hier finden sich ja Sympathien für rassistische und rechtspopulistische Positionen - und zwar so zahlreich, dass man das nicht einfach sozial ächten kann. Wir haben keine andere Möglichkeit, als zu diskutieren und die Leute zurückzugewinnen. Aber das können wir nicht einfach auf einer vermeintlich neutralen Basis tun, sondern wir haben da eine klare Ausrichtung.
Jetzt gibt es aber auch Stimmen wie die des bekannten Theologen Ulrich Körtner, der behauptet, dass die Kirchen die AfD möglicherweise überhaupt erst stark gemacht hätten mit ihrer Unterstützung einer liberalen Flüchtlingspolitik und der offenen Verurteilung der AfD. Sehen Sie das auch so?
Flad: Nein, das sehe ich nicht so. Das überschätzt auch ein wenig den Einfluss der Kirchen. Aber vor allem ist der AfD-Erfolg ja auch keine komplett neue Entwicklung. Vielmehr hat er etwas sichtbar gemacht, was ohnehin schon da war. Wir wissen ja aus vielen Studien, dass es in der deutschen Gesellschaft einen tief sitzenden Rasismus gibt - und der ist jetzt hier zum Ausdruck gekommen.
Welche Positionen zum Umgang der Kirchen mit dem Rechtspopulismus wurden denn in Magdeburg auf dem "Forum gegen den Hass" formuliert?
Flad: Es ging um verschiedene Ebenen. Es gab neben einem Grußwort von Bischof Dr. Feige vom Bistum Magdeburg eine Podiumsdiskussion, bei der es um genau diese Frage ging, an der auch die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, Ilse Junkermann, beteiligt war. Natürlich wurde auch das Bundestagswahlergebnis als solches analysiert. Und es gab einen ausgesprochen spannenden Beitrag von Professor Palaver aus Österreich über christliche Friedens- und Freiheitsethik, der dem Ganzen auch eine theologisch-philosophische Grundierung gegeben hat. Außerdem haben wir zusammen mit Professorin Bulli aus Italien über den Tellerrand ins europäische Ausland geschaut. Im Ergebnis war da die These, dass Deutschland nun dort angekommen ist, wo viele andere europäische Länder schon längst sind: Nämlich bei einer entsprechenden - und dabei noch vergleichsweise kleinen - Repräsentation rechtspopulistischer Strömungen im Parlament. Das ist natürlich nicht erfreulich, trotzdem beneidet uns jemand wie Professor Palaver aus Österreich noch geradezu um dieses Wahlergebnis.
Aber das ist ja trotzdem eine Entwicklung, die auch im europäischen Ausland in diesem Ausmaß erst in den vergangenen Jahren so deutlich zutage getreten ist...
Flad: Ja, und das ist etwas, das man sich sehr aufmerksam anschauen muss. Und da kann der Erfahrungsaustausch mit anderen europäischen Ländern nur hilfreich sein.
Können Sie so etwas wie ein Resümée ziehen?
Flad: Die Tagung war auf jeden Fall ein voller Erfolg und auch komplett ausgebucht. Ich hatte dabei den Eindruck, dass die Leute gestärkt daraus hervorgegangen sind. Es waren auch viele Menschen dabei, die aufgrund ihres Engagements selbst Opfer von rechter Hetze und Aktionen sind - denen tut es einfach gut, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und Unterstützung zu bekommen. Überhaupt waren Austausch und Vernetzung Hauptaspekte dieser Tagung und extrem wichtig und wertvoll für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das hat Kraft und Motivation gegeben.
"Da gibt es schon so eine Stimmung von 'Jetzt erst recht!'"
Und wie geht es in Zukunft weiter? Wie kann und soll Kirche mit Rassismus und Rechtspopulismus fortan umgehen?
Flad: Da gibt es schon so eine Stimmung von "Jetzt erst recht!" Rassismus zu widersprechen ist ja mühsam, aber man muss es trotzdem tun. Und zwar auf eine Weise, dass man nicht verbittert und verbiestert rüberkommt, sondern dass man auch bei Menschen, deren Meinung man nicht teilt, höflich und vor allem gesprächsfähig bleiben kann.