Vom strahlend weißen Kirchengewölbe hängen von innen beleuchtete Glassäulen herab. Sie ragen in den Raum und symbolisieren wie sich die Sprengung der Universitätskirche St. Pauli vor 49 Jahren in die Geschichte Leipzigs eingebrannt hat. Am Mittwoch hat die Universität der Messestadt eine neue Aula und eine neue Kirche zurückerhalten. Im sogenannten Paulinum auf dem Grundriss der abgetragenen Kirche am Augustusplatz wurde die Fertigstellung gefeiert - acht Jahre später als zunächst erwartet.
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) lobte den "Simultan-Ort für Wissenschaft und Glauben". Mit dem Gebäude habe der Augustusplatz im Herzen der Stadt "ein markantes Gesicht" erhalten. Bundesbildungs- und Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) betonte: "Der eindrucksvolle Neubau des Paulinums verdeutlicht nicht zuletzt den hohen Stellenwert, den Bildung und Forschung in unserer Gesellschaft einnehmen. Zugleich erinnert das Paulinum an die wechselvolle Geschichte der Universität Leipzig." Die Universitätskirche St. Pauli war am 30. Mai 1968 auf Anweisung der DDR-Regierung gesprengt worden.
Geistiges und geistliches Zentrum
Wanka, die selbst in Leipzig studiert hat, nannte den Neubau, um den es heftige Debatten gegeben hatte, "imponierend" und die Diskussionen "ganz normal" für eine lebendige Stadtgesellschaft. Das Paulinum sei ein Zentrum für die Freiheit der Wissenschaft, ein sakraler Raum und ein Konzertsaal zugleich, betonte sie. Die offizielle Eröffnung will die Universität aber erst Anfang Dezember feiern. Bis dahin sind noch Restarbeiten zu erledigen.
Die Bauabschlussfeier hatte am Mittwoch mit einer ökumenischen Andacht begonnen. Der Dresdner Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer bezeichnete die Fertigstellung der neuen Universitätskirche als ein "Heilungsgeschehen". Das Paulinum sei "Umhüllung für zwei Räume - optisch und geistig". Mehrere Redner betonten, mit dem Paulinum erhalte die Universität ihr geistiges und geistliches Zentrum zurück.
Damit findet der Aufbau eines kompletten Uni-Campus in Leipzigs Innenstadt seinen Abschluss. Insgesamt investierte Sachsen nach Angaben von Finanzminister Georg Unland (CDU) 255 Millionen Euro auf Sachsens zweiteuerster Baustelle. Nur das Dresdner Schloss mit fast 380 Millionen Euro kostet mehr.
Für das Leipziger Campus-Hauptgebäude Augusteum und das Paulinum bezifferte Unland die Kosten auf rund 117 Millionen Euro, doppelt so hoch wie zunächst angenommen. Davon entfallen allein 13,5 auf den Innenausbau von Aula und Kirche. Das Augusteum mit Fakultätsräumen war bereits 2012 der Universität zur Nutzung übergeben worden. Über dem Paulinum befinden sich mehrere Etagen mit weiteren Funktionsräumen.
In seiner Rede vor Baufirmen und Ingenieurbüros sowie Mitgliedern der Jury des Architekturwettbewerbs und der Universität betonte Tillich, die Bauabschlussfeier sei "das Gegenstück zum 30. Mai 1968". Die Sprengung sei "ein Akt vorsätzlicher Barbarei" gewesen.
Leipziger hatten damals wertvolle Stücke aus der Kirche gerettet, darunter die barocke Kanzel. Das Original von 1738 steht derzeit im Musikinstrumentenmuseum. Um ihre Wiederaufstellung gibt es noch immer Diskussion. Seit der Sprengung 1968 finden die Universitätsgottesdienste in der Nikolaikirche statt. Der erste Gottesdienst im neuen Gebäude wird am 3. Dezember gefeiert.
Der Bau am zentralen Augustusplatz sollte ursprünglich schon zur 600-Jahr-Feier der Universität 2009 fertig sein. Leipziger und Gäste haben am Donnerstag die vorerst einmalige Gelegenheit, das neuen Gebäude zu besichtigen. Danach wird es erst wieder im Dezember zugänglich sein.