Engel
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Ein himmlischer Gruß: Ab und an wünschen sich viele einen Engel.
"Wir haben den Engel in der Kirche und den Satan vor der Tür"
Für viele aufgeklärte Protestanten gehören Engel ins Reich der Phantasie. Pfarrerin Stefanie Schardien predigt am 23. Juli im ZDF-Fernsehgottesdienst "Aus heiterem Himmel" über den Erzengel Michael, den Superhelden Gottes, und warum Engel für uns heute noch wichtig sind.

Welchen Draht hat die evangelische Kirche zu Engeln?

Stefanie Schardien: Viele Menschen in unserer Gemeinde und vor allem jenseits der Gemeinden haben eine starke positive Verbindung zu Engeln. Unsere Kirche hingegen tut sich mit ihnen schwerer.  

Und trotzdem predigen Sie am Sonntag über Engel. Worum wird es gehen?

Schardien: In der Vorbereitung auf den Fernsehgottesdienst kamen wir darauf, dass ein Gottesdienst in einer "Engelskirche" – St. Michael – die Engel auch einmal zum Thema machen kann. Es soll um Engelbilder und Engelerfahrungen gehen. Als biblischer Text hilft uns ein bekannter und sehr beliebter Engelvers aus einem Psalm weiter. Daran wird uns die Ambivalenz unserer Gefühle deutlich. Einerseits spüren wir eine große Nähe zu den Engeln, andererseits sind wir theologisch im Umgang mit ihnen zurückhaltend und wissen häufig nicht so recht wohin mit ihnen.

Sie predigen über den Erzengel Michael. Worin kann er uns ein Vorbild sein?

Schardien: Der Erzengel Michael kann uns vor allem ein Vorbild darin sein, dass er nicht unseren typischen Engelserwartungen entspricht. Er ist nicht goldlockig und süßlich. Bei ihm geht es richtig zur Sache. Das ist einer mit Muskeln und mit Kraft, der da einigermaßen wütend den Satan aus dem Himmel stößt. Das sieht man auch auf dem großen Gemälde, das in unserer Kirche hängt. Das Bild zeigt, wie er den Drachen, also den Satan, mit der Lanze vertreibt. Obwohl das Bild mit dem Engel Michael gut sichtbar in unserer Kirche hängt, ist vielen gar nicht bewusst, was dahinter für eine Tradition steht. Viele hier in Fürth sind sehr selbstbewusst "Michelaner". Dass aber hinter "Michael" mehr als nur ein Vorname steckt, wissen viele gar nicht mehr so genau. Der Drache aus der Michael-Erzählung ist sichtbarer: Auf unserem Kirchplatz liegt vor der Grundschule ein großer Mosaikdrache, um diese Geschichte auch für die Kinder nachvollziehbar und lebendig werden zu lassen. Der Drache ist allerdings sehr hübsch. Es ist eigentlich keiner, der Angst einjagt. Aber so haben wir in unserer Gemeinde sozusagen den Engel in der Kirche und den Satan vor der Tür.

Erzengel Michael, Tafelgemälde über dem Chorbogen (um 1730/1750) in der Altstadtkirche St. Michael in Fürth.

Sie sind also eine sehr kämpferische Gemeinde?

Schardien: Ich glaube, dass wir eine sehr engagierte Gemeinde sind. Da passt der Erzengel Michael gut zu uns. Als Pegida bei uns ein Weihnachtsliedsingen veranstalten wollte, haben wir mit unserem "echten Weihnachtsliedersingen" dagegen gehalten. Auch als wegen einer Pegida-Demo unser Martinsumzug abgesagt wurde, merkte man, dass unsere Gemeinde sich engagiert gewehrt hat.

Und was sagen Sie zum Erzengel Michael?

Schardien: Durch die Vorbereitung auf den Gottesdienst am Sonntag ist er mir näher gekommen. Wir Pfarrerinnen und Pfarrer sind bei Engeln häufig zurückhaltend und sehen mit Staunen und manchmal auch stirnrunzelnd die Engelsfrömmigkeit. Was fangen wir mit den Engeln neben Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist an? Welche Rolle spielen sie? Gibt es sie? Diese Fragen bohren glaube ich in jedem von uns ein bisschen. So war das für mich in dieser Auseinandersetzung mit dem Fernsehgottesdienst, der ja lange Zeit vorbereitet wird. Ich bin mit sehr vielen Menschen ins Gespräch über Engel kommen. Das war für mich lehrreich und schön.

Warum sind Engel heute überhaupt noch wichtig?

Schardien: Da muss ich aufpassen, dass ich nicht schon so viel von meiner Predigt verrate. Dass Engel wichtig sind, erkennen wir schon daran, wie sie unsere Alltagskultur bestimmen: An allen Orten sehen wir kleine oder größere Engelsfiguren, sie kommen in Film und Literatur, lassen sich immer wieder in der Kunst entdecken. Die Menschen sind mit den Engeln lang noch nicht fertig. Und umgekehrt die Engel mit den Menschen wohl auch nicht…

Schutzengel, unerkannter Bote, Gottes Streetworker, … Es gibt schon viele Engel, oder?

Schardien: Im Gottesdienst am Sonntag werden die Menschen aus der Gemeinde ihre Lieblingsengel mitbringen. Da bin ich schon gespannt, wie unser Kirchraum mit den vielen neuen Engeln aussieht und welche Geschichten die Menschen mit ihren Engeln verbinden. Einige Gemeindemitglieder werden uns von ihren Engelerfahrungen berichten. Von Schutz oder von Botschaften, die sie bekommen haben. Engel sind ja dem Wort "Angelos" nach vor allem als "Boten" unterwegs. Daneben dann Engel wie unser Michael, die es mit dem Bösen aufnehmen.

Michael ist ein Superheld Gottes. Braucht Gott wirklich einen Superhelden?

Schardien: Michael ist einer der wenigen Engel, die in der Bibel einen Namen bekommen. Das fördert vielleicht ein wenig den "Superhelden"-Eindruck. Viel öfter bleiben die biblischen Engel aber eher gesicht- und namenlos, treten als "die himmlischen Heerscharen" auf und stellen sich gerade selbst nicht in den Mittelpunkt, wie das Superhelden tun würden. Die biblischen Engel handeln anders. Auch darum wird es im Gottesdienst gehen. Das unterscheidet vielleicht unsere evangelische Engelsfrömmigkeit von derjenigen, die auf Engelkongressen vorherrscht. Da stehen die Engel selbst im Mittelpunkt. Das ist ein großer Unterschied zu dem, was wir glauben.

"Wir dürfen uns nicht ständig da Engel wünschen, wo wir selber aktiv werden können"

Martin Luther und Engel: passt das im Reformationsjubiläumsjahr 2017 zusammen?

Schardien: Martin Luther ging es da ganz ähnlich wie uns heute. Der wollte auch nicht zu viele Engel in der Kirche haben. Umgekehrt nimmt man ihm aber auch ab, dass er ohne sie weder kann noch will.

Wünschen Sie sich mehr Engel im Alltag?

Schardien: Selbstverständlich können wir sie gebrauchen. Man wünscht sie sich an allen Ecken und Enden. Wir dürfen uns da aber auch nicht vertun, uns ständig Engel da zu wünschen, wo wir selber aktiv werden können. Und auf gewisse Weise begleiten sie uns ja oft schon im Alltag, zum Beispiel in biblischen Texten und Gebeten. Im Gottesdienst wird die Gemeinde übrigens einen Luthertext sprechen, den viele Zuschauer kennen werden.