Für Christen in Ägypten ist es das Halbjahr mit den meisten Toten in der jüngsten Geschichte des Landes: Bei einem Angriff auf Kopten sind am Freitag mindestens 26 Menschen getötet worden. Wie das Staatsfernsehen unter Berufung auf das Gesundheitsministerium berichtete, wurden 25 Menschen verletzt. Die Kopten waren den Angaben nach im Bus auf einer Schnellstraße unterwegs zum Sankt Samuel Kloster in der südlichen Provinz Minja, als sie von Bewaffneten attackiert wurden.
Die Angreifer kamen demnach in drei Geländewagen. Bilder des Tatorts, die im Fernsehen veröffentlicht wurden, zeigten den zerstörten Bus mit zahlreichen Einschusslöchern. Augenzeugen sagten der Tageszeitung "Al-Masry Al-Youm", dass insgesamt acht Bewaffnete den Bus beschossen hätten. Der staatlichen Zeitung "Al-Ahram" zufolge berief Präsident Abdel Fattah al-Sisi eine Krisensitzung ein. Regierungsmitglieder machten sich auf den Weg zum Tatort.
Weltkirchenrat fordert mehr Schutz für christliche Minderheit
In Ägypten gibt es immer wieder Attacken radikaler Islamisten auf die christliche Minderheit. Doch in den vergangenen sechs Monaten sind dabei besonders viele Menschen getötet worden. Am Palmsonntag im April forderte ein Doppelanschlag auf Kirchen in den Städten Tanta und Alexandria fast 50 Todesopfer. Im Dezember riss eine Bombe in einer Kirche in Kairo fast 30 Menschen in den Tod. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bekannte sich zu den Taten. Kairo verhängte den dreimonatigen Ausnahmezustand.
Der jüngste Anschlag ereignet sich einen Tag vor dem Fastenmonat Ramadan, der in den meisten Ländern der arabischen Welt an diesem Samstag beginnt. Dschihadisten verübten 2016 während des Fastenmonats besonders blutige Anschläge - unter anderem auch in einem Nachtclub in der US-Stadt Orlando und am Flughafen von Istanbul.
Die koptische Kirche beklagte auf ihrer Facebookseite die "Gewalt und Bosheit" der Terroristen, die "das auf das Herz und die nationale Einheit Ägyptens abziele, das Kostbarste, das wir besitzen und das wir schützen müssen". Der Großimam der Kairoer Al-Azhar-Moschee, Ahmed Mohammed al-Tayyeb, verurteilte den Angriff. Auf der Internetseite der mächtigen sunnitischen Institution erklärte er, dass alle Ägypter zusammenstehen müssten angesichts des brutalen Terrors.
Der weltweite Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) forderte von Präsident Abdel Fattah al-Sisi mehr Schutz für religiöse Minderheiten. Alle Gläubigen müssten ohne Angst vor Gewalt ihre Religion ausüben können, erklärte der Generalsekretär des Weltkirchentags, der Kirchen, Olav Fykse Tveit, in Genf. Der brutale Angriff mit mindestens 26 Toten sei schockierend. Die koptischen Christen seien seit Jahren Opfer von Gewalt und Verfolgung seien.
Auch in Deutschland reagierten Politiker und Kirchen mit Entsetzen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erschüttert. "In Gedanken und im Gebet bin ich bei den Angehörigen der Opfer, denen mein Beileid gilt", erklärte er in Berlin. Er äußerte zudem die Hoffnung, "dass sich alle Menschen in Ägypten gegen den Terror verbünden und die Religionsgruppen in Solidarität zusammenstehen."
Die Bundesregierung verurteilte die "abscheuliche Tat" auf's Schärfste. Während eines Gesprächs mit Großimam? Mohammed al-Tayyeb auf dem Kirchentag in Berlin habe er von dem Anschlag erfahren, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU): "Wir sind erschüttert und sind uns absolut einig: Terrorismus im Namen der Religion ist Missbrauch der Religion."
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sprach dem Kopten-Oberhaupt, Papst Tawadros II., sein Mitgefühl aus. "Diese nicht enden wollende Gewalt gegen die christliche Minderheit macht fassungslos", so Marx. "Sie muss mit allen legitimen Mitteln gestoppt werden."
Der Bischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Anba Damian, reagierte mit Trauer und Bestürzung. Damit sei die Wunde vertieft worden, sagte Damian dem epd in Höxter. Terroristische Angriffe seien nicht nur eine Bedrohung für die christliche Minderheit in Ägypten, sondern zerstörten das ganze Land. Als auffällig bezeichnete der Bischof, dass es Anschläge oft nach dem Freitagsgebet in den Moscheen gebe.
Die meisten Ägypter sind sunnitische Muslime. Christen stellen in dem nordafrikanischen Land mit rund neun Millionen Gläubigen zehn Prozent der Bevölkerung - fast alle sind Kopten. Die koptisch-orthodoxe Kirche existiert bereits seit dem ersten Jahrhundert und gehört zu den ältesten Kirchen der Welt.