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TV-Tipp: "Tod einer Kadettin" (ARD)
5.4., ARD, 20.15 Uhr: "Tod einer Kadettin"
Das Segelschulschiff heißt anders, die junge Frau ebenfalls, aber es gibt keinen Zweifel, dass der vielfach ausgezeichnete Autor und Regisseur Raymond Ley in seinem Drama "Tod einer Kadettin" die letzten Lebenswochen von Jenny Böken rekonstruiert. Das Drehbuch, dass er wie stets zusammen mit seiner Frau Hannah verfasst hat, basiert auf dem Sachbuch "Unser Kind ist tot", in dem unter anderem auch Jennys Eltern zu Wort kommen.

Ihre 18jährige Tochter ist aus Gründen, die bis heute nicht vollends geklärt sind, in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2008 über Bord der Gorch Fock gegangen. Das Ehepaar Ley, heißt es im Nachspann, habe sich zwar "von einer wahren Geschichte" inspirieren lassen, doch der Filme "erhebt nicht den Anspruch, die Ereignisse authentisch wiederzugeben." Im Anschluss schildert die Dokumentation "Der Fall Gorch Fock" die wahren Ereignisse. Hier kommt neben Eltern und Freunden auch ARD-Journalist Jörg Hafkemeyer zu Wort, der in der Unglücksnacht an Bord der Gorch Fock war.

"Tod einer Kadettin" funktioniert jedoch auch ohne die Ergänzung, zumal das Drama nicht nur wegen der erst jüngst wieder bekannt gewordenen sexuellen Übergriffe in der Bundeswehr von trauriger Aktualität ist. Raymond Ley, für Filme wie "Eichmanns Ende", "Eine mörderische Entscheidung" (über den Luftangriff  bei Kundus) oder "Meine Tochter Anne Frank" vielfach ausgezeichnet, erzählt die Geschichte von Lilly Borchert, einer jungen Frau, die zur Marine will, um dort Ärztin zu werden. Zunächst muss sie jedoch eine harte Ausbildung absolvieren, für die sie offensichtlich nicht geschaffen ist. Obwohl mehrfach attestiert wird, dass sie den Bedingungen an Bord körperlich und womöglich auch seelisch nicht gewachsen ist, zieht keiner ihrer Vorgesetzten die Konsequenzen; das ist der eine Skandal. Für den anderen sind die sogenannten Kameraden, vor allem jedoch die Kameradinnen verantwortlich: Lehrertochter Lilly zeichnet sich durch eine gewisse Streberhaftigkeit aus und macht sich entsprechend schnell unbeliebt; prompt wird sie nach Strich und Faden gemobbt. Dass sie aus unerklärlichen Gründen immer wieder mitten im Unterricht einschläft und diverse Übungen frühzeitig abbrechen muss, weil sie beispielsweise unter Höhenangst leidet und deshalb nicht in die Takelage klettern kann, bietet den anderen Marine-Azubis willkommene Anlässe, unterstreicht aber auch, wie absurd es ist, dass die junge Frau nicht schon längst für untauglich befunden worden ist. Eingesprochene Tagebuchpassagen über ihren Traum, Ärztin zu werden und den Menschen zu helfen, liefern die Erklärung dafür, warum sie nicht von sich aus den Dienst quittiert hat.

Zu der düsteren Konsequenz, mit der Ley diese Chronik eines angekündigten Todes erzählt – der Film beginnt mit dem Sturz ins Meer – gehört auch die Besetzung der Titelrolle: Maria Dragus, für ihre Nebenrolle in Michael Hanekes Historiendrama "Das weiße Band" 2010 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, ist mit ihren kantigen Gesichtszügen keine Darstellerin, der die Sympathien allein durch bloße Präsenz zufliegen. Dennoch verdankt der Film seine Spannung nicht zuletzt der Mischung aus Fragilität und Trotz, mit der sie Lilly versieht. Als Erzähler fungiert ein Journalist, der zufällig an Bord ist und herausfinden will, ob der Tod Mord, Suizid oder bloß ein Missgeschick war. Der Film bietet beide Alternativen an; auch wenn "Tod einer Kadettin" mit einer ebenso tragischen wie grimmig ironischen Schlusspointe endet. Gedreht wurde der Film auf einem polnischen Schiff; die deutsche Marine hat nach Angaben des Ehepaars Ley jede Form der Kooperation abgeblockt. Sie revanchieren sich, indem sie das Leben an Bord in Zeiten von Drohnen- und Internet-Kriegsführung hoffnungslos anachronistisch wirken lassen.