Darin warnte er vor den Gefahren der Hitler-Diktatur und brandmarkte die nationalsozialistische Ideologie als antichristliche Ersatzreligion, allerdings ohne Hinweis auf die Judenverfolgung. Ausnahmsweise war das päpstliche Rundschreiben vom 14. März 1937 nicht auf Latein verfasst, sondern auf Deutsch. Es wurde vervielfältigt und in Deutschland von allen katholischen Kanzeln verlesen.
Grundlegendes Dokument über das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Hitler-Regime
Die Enzyklika war das erste grundlegende Dokument über das Verhältnis der katholischen Kirche zum Hitler-Regime. Wie war es dazu gekommen? Zunächst hatte der Vatikan versucht, sich den Nationalsozialisten anzunähern, um die katholische Kirche in Deutschland zu schützen. Kurz nach der Machtübernahme Adolf Hitlers 1933 hegten in der Kirche viele die Hoffnung, er werde den als weitaus größeres Übel angesehenen Kommunismus bekämpfen.
Im Juli 1933 schloss der Heilige Stuhl mit dem Deutschen Reich das sogenannte Reichskonkordat, das die gegenseitigen Beziehungen regelte. Der Vatikan baute darauf, dass der Vertrag einen Schutz gegen die Gleichschaltung der katholischen Kirche bieten würde.
Die Hoffnung aber erfüllte sich nicht. "Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche", heißt es in der Enzyklika von 1937. Der Papst richtete seine Aufmerksamkeit darin vor allem auf die Lage der katholischen Kirche in Deutschland inmitten der aus vatikanischer Sicht neuheidnischen NS-Ideologie.
"Gottesverneiner, Gottesverächter und Gotteshasser"
In scharfer Form verurteilte das päpstliche Schreiben den "Götzenkult" eines Staates, der Rasse, Volk und den Träger der Staatsgewalt zur höchsten Norm auch der religiösen Werte mache. Die Verfechter dieser "Irrlehre" werden in der Enzyklika als "Gottesverneiner, Gottesverächter und Gotteshasser" bezeichnet, die Katholiken "bis in die Kerkerzelle und das Konzentrationslager hinein" verfolgten.
Aber der Papst blieb dabei vorsichtig: Auf Druck der deutschen Bischöfe einigte sich Pius XI. mit seinem damaligen Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli - dem späteren Pius XII. - auf eine Enzyklika, in der aus Furcht vor Repressalien weder das Hitler-Regime noch der Nationalsozialismus ausdrücklich erwähnt wurden. Das Konkordat mit den Nationalsozialisten wurde gerechtfertigt mit der "Sorge um die Freiheit der kirchlichen Heilsmission in Deutschland".
"Kampfansage gegen die Reichsregierung"
Der damalige Münchner Erzbischof, Kardinal Michael von Faulhaber, schrieb nach der Veröffentlichung von "Mit brennender Sorge" begeistert an den Papst: Es sei ihm eine "seelische Freude" gewesen, "in meinem Dom das Rundschreiben selber zu verlesen". Sonderdrucke wurden den Verteilern "aus der Hand gerissen", wie Faulhaber berichtete.
Zwei Tage nach dem Verlesen der Enzyklika auf den Kanzeln bedeutete das NS-Außenministerium dem päpstlichen Nuntius Cesare Orsenigo, Berlin lese das Schreiben als "Kampfansage gegen die Reichsregierung". Dabei hatte der Papst darin betont, er hege "keinen innigeren Wunsch als die Wiederherstellung eines wahren Friedens zwischen Kirche und Staat in Deutschland".
Verbreitung der Enzyklika ein hochverräterischer Akt
Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf bezeichnet die Enzyklika als großen "Coup, der die Nationalsozialisten völlig überraschte". Schließlich hätten sie wenige Tage zuvor noch über die Enzyklika "Divini redemptoris" gejubelt, mit der Pius XI. den Kommunismus verurteilte. Die Nationalsozialisten seien "getroffen" gewesen, betonte Wolf in der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Joseph Goebbels habe von einer "Vatikan-Frechheit" gesprochen. Die weitere Verbreitung des Textes der Enzyklika sei verboten und als hochverräterischer Akt bezeichnet worden. Druckereien wurden geschlossen und Mitarbeiter verhaftet.
Nach "Mit brennender Sorge" plante Pius XI. eine weitere Enzyklika zur Verurteilung der Rassenideologie. Doch zur Veröffentlichung kam es nicht mehr, er starb im Februar 1939. Sein Nachfolger Pius XII. verzichtete nach dessen Tod auf die Veröffentlichung des Entwurfs, da er negative Konsequenzen befürchtete. Ob der Papst mit deutlichen Worten zum Holocaust Einfluss auf die Lage in Deutschland hätte nehmen können, ist unter Historikern bis heute umstritten.