Es könne dazu inspirieren, sich zu vergewissern, wie die heute geltenden Werte geschichtlich entstanden seien und der Wert einer freien, gleichen und solidarischen Gesellschaft verteidigt werden könne. Die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, plädierte für eine Debatte "über die großen Themen der Zeit".
Enorme Ümwälzungen in der Welt
Die frühere hannoversche Bischöfin verwies dabei auf den Bundestagswahlkampf. Die großen Themen wie Hunger in Afrika und Menschenrechtsverletzungen müssten dort angesprochen werden. Oppermann sagte, heute wie vor 500 Jahren, als Martin Luther mit seiner Kritik an der römischen Kirche die Reformation und die Spaltung in evangelische und katholische Kirche auslöste, gebe es enorme Umwälzungen in der Welt. Er verwies unter anderem auf die Digitalisierung und die Klimaveränderungen. Man müsse versuchen, die Welt so zu gestalten, dass sie ein guter Platz zum Leben bleibe, sagte der SPD-Politiker.
Er beklagte, das unter anderem aus der Reformation erwachsene Wertesystem werde heute von innen und von außen infrage gestellt. Er betonte die Bedeutung von Respekt und Toleranz. Käßmann sagte, protestantisch sei, nicht nur für die eigene Freiheit, sondern auch die des Anderen einzustehen. Dies komme bei Bewegungen wie "Pegida" nicht an. "Das christliche Abendland wird nur verteidigt, wenn auch das Recht der Anderen anders zu glauben, verteidigt wird", sagte die prominente Theologin.
"Reformation heißt, die Welt zu hinterfragen"
Auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion diskutierten Politiker, Theologen und Wissenschaftler unter dem Titel "Reformation heißt, die Welt zu hinterfragen" über die Bedeutung der von Luther angestoßenen Veränderungen für das 21. Jahrhundert. Zum 500. Jahrestag des legendären Thesenanschlags Luthers erinnern evangelische Kirche und Staat in diesem Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen an die Reformation.
Angesprochen auf Forderungen vor allem aus der CSU, die Kirche solle sich bei politischen Diskussionen heraushalten, sagte Käßmann, für sie sei das Evangelium politisch. Es sei die Grundlage für den Einsatz für Arme und Schwache. Eine Spannung zwischen Kirche und Staat sehe sie derzeit aber woanders, sagte Käßmann und kritisierte die Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Umgang mit getauften Flüchtlingen. Das Bundesamt erkläre vermehrt, dass es die Taufe anzweifele und als fadenscheinig ansehe. Das ärgere sie "massiv", sagte sie.
Käßmann sagte, sie kenne zwei derartige Vorgänge in ihrem Umfeld. Sie kenne allerdings keinen Pfarrer, der sich eine Taufe einfach mache: "Wir taufen nicht einfach so." Ein Übertritt zum christlichen Glauben kann bei Asylbewerbern in Deutschland Grund für eine Asylgewährung sein, wenn dadurch im Heimatland Verfolgung drohen würde. Das Bundesamt ist daher dazu angehalten, zu überprüfen, wie ernsthaft der Glaubensübertritt ist.