Liebe Mitfastende,
ich grüße Sie herzlich zum Beginn unserer zweiten gemeinsamen Woche „ohne Sofort“. Diesmal geht es darum, sich nicht sofort für zu etwas zu entscheiden. Das ist ein Aufruf, der nicht ohne weiteres auf Zustimmung stößt. Wir mögen gern spontan sein. Spontaneität ist ein Zeichen von Unabhängigkeit. Wenn wir uns spontan entscheiden können, heißt das in vielerlei Hinsicht, dass wir es uns leisten können. Warum sollte man sich also Zeit lassen mit dem Entscheiden? Warum nicht sofort? Nun, weil jede Entscheidung Konsequenzen hat. Wenn diese Konsequenzen groß sind, wird es uns wichtiger, dass die Entscheidung möglichst die richtige ist und nicht aus dem Affekt heraus getroffen wird.
Manchmal reicht das Abwägen allerdings nicht aus. So in der biblischen Geschichte, die uns für diese Woche vorgeschlagen ist. Die Verlobte des frommen Mannes Josef wird schwanger. Da die beiden bislang nicht miteinander geschlafen haben, ist klar, dass Josef nicht der Vater sein kann. Was soll er tun? Er denkt nach und überlegt, Maria heimlich zu verlassen. Auf diese Weise muss er sie nicht öffentlich bloßstellen. Josef lässt sich Zeit für seine Entscheidung. Er handelt nicht aus dem Affekt, er überlegt. Aber seine endgültige Entscheidung trifft er noch einmal auf ganz andere Weise: Noch während er überlegt, geschieht Unglaubliches. Ein Engel besucht ihn im Traum und erklärt ihm, dass die Sache schon ihre Richtigkeit habe und dass Marias ungeplante Schwangerschaft Teil eines großen Heilsplanes sei. Die Erscheinung des Engels muss auf Josef einen enormen Eindruck gemacht haben, in der Bibel heißt es einfach, Josef tat, „wie der Engel ihm befohlen hatte“. Wie schnell wird das wohl gegangen sein? Was mag in Josef vorgegangen sein, dass er zu dieser Entscheidung kommt? Die einfachste Erklärung ist anzunehmen, dass er einfach so fromm war, dass er selbstverständlich dem Engel gehorchte. Das kann ja auch eine Hilfe bei Entscheidungen sein: gar nicht selbst entscheiden, sondern die Entscheidung anderen zu überlassen.
Vielleicht hat Josef sich aber auch nach dem Aufwachen noch einmal Zeit genommen. Im Traum war ihm die Entscheidung abgenommen worden. Nun hatte er eine besondere Chance: Er konnte in sich hineinhören und herausbekommen, wie sich diese Entscheidung anfühlt. Wie fühlt es sich an, bei Maria zu bleiben, ohne Beweis, stattdessen mit einer Verheißung? Wie fühlt es sich an, wenn er sich ausmalt, mit dieser Familie zu leben? Der Engel hat Josef eine Chance eröffnet, eine wirklich gut überlegte Bauchentscheidung zu fällen. Bauchentscheidungen müssen nämlich keine spontanen Affekthandlungen sein wie ein Impulskauf an der Supermarktkasse. Wer wirklich auf den eigenen Bauch hören will, muss sich dafür Zeit nehmen und sich wirklich vorstellen, wie es denn wohl ist, wenn man sich so oder so entscheidet.
Wenn Ihnen der Bauch sagt, dass dies der falsche Weg ist, schauen Sie sich die andere Seite der Münze an. Wie steht es mit dieser Entscheidung? Und wenn Sie herausfinden sollten, dass es Ihnen mit dieser Entscheidung auch durchweg schlecht geht, dann brauchen Sie vielleicht eine ganz andere Lösung und einen neuen Münzwurf. Wichtig ist nur, dass Sie dem „Engel“ einmal die Chance geben, Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen. Und vielleicht fühlt es sich irgendwann richtig an – vielleicht nicht vollständig gut, aber doch richtig. Dann wissen Sie bestimmt, wie es weitergehen soll. Probieren Sie es aus in dieser Woche – oder wann immer es für Sie etwas zu entscheiden gibt!
Herzliche Grüße!
Ihr Frank Muchlinsky