Ein Mann trägt am 08.02.2017 in Bukarest, Rumänien bei einer Demonstration ein Kreuz.
Foto: dpa/Darko Bandic
Demonstration in Bukarest Anfang Februar 2017.
Evangelischer Protest mit langem Atem
Die deutschsprachige evangelische Kirche unterstützt die Demonstrationen in Rumänien
Die Proteste gegen Korruption in Rumänien dauern an, auch am Sonntag wollen wieder Tausende ihr Misstrauen gegen ihre Regierung zeigen. Aktiv dabei ist die deutschsprachige evangelische Kirche in Rumänien. Die orthodoxe Kirche ist zurückhaltender.
24.02.2017
epd
Wiebke Rannenberg

Auch wenn Regierung und Parlament die Korruptionsverordnung aufgehoben haben: Frauen, Männer und Kinder in Rumänien gehen weiter auf die Straße, seit fast einem Monat laufen die Anti-Korruptions-Proteste. "Die Menschen vertrauen dieser Regierung nicht länger", sagte am Freitagmorgen die ehemalige rumänische Justizministerin Monica Macovei im Deutschlandfunk.

Auch die deutschsprachige evangelische Kirche in Rumänien unterstützt die Proteste. Am kommenden Sonntag werde wieder dazu aufgerufen, am Nachmittag an den Demonstrationen gegen die rumänische Regierung teilzunehmen, sagt der Stadtpfarrer von Hermannstadt, Kilian Dörr, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei nötig, dass alle Menschen guten Willens, "unabhängig von ihrer politischen Couleur, unabhängig von ihrer kulturellen und geistlichen Heimat", zusammen Widerstand leisteten, sei zum Beispiel am vergangenen Sonntag in seiner Kirche gesagt worden.

Die Regierung plane, "durch über Nacht verordnete Erlasse den Amtsmissbrauch straffrei ausgehen zu lassen, korrupte Systeme zu legalisieren und manipulative Falschmeldungen und Verdrehung der Tatsachen im Fernsehen salonfähig zu machen", hieß es in Ankündigung. Die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (A.B.) in Rumänien habe sich "klar für den Erhalt des Rechtsstaates ausgesprochen", so Dörr.

Fantasievolle Protestaktionen zu #rezist

Seit Anfang Februar sind in Rumänien in Kälte und Schnee Hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen. Die zunächst täglichen Proteste konzentrieren sich inzwischen auf die Wochenenden. Die Menschen sparten ihre Kräfte "für einen langen Weg", und trügen im Alltag den Sticker mit dem Aufruf #rezist, übersetzt "ich leiste Widerstand", sagt Stadtpfarrer Dörr.

Besonders die urbane Mittelschicht sei mit viel Kreativität und fantasievollen Protestaktionen beteiligt, auch viele Kirchenmitglieder. So gebe es Demos mit Regenschirmen oder Büchern, bei denen die Menschen eine Stunde auf einem Klappstuhl sitzen und lesen. Am Sonntagabend soll in Bukarest vor dem Regierungsgebäude mit blauen Blättern ein positives Zeichen Richtung Europäische Union gesendet werden.

Protestiert wird nach Auskunft von Dörr gegen eine Regierung, die bewusst korrupte Politiker schützt und so das Vertrauen vieler Menschen verloren hat. Die Menschen hätten Angst, dass durch Aktionen wie die Entmachtung der erfolgreichen Anti-Korruptions-Behörde, die Aufweichung der Gewaltentrennung und Hetzkampagnen regierungskonformer Medien "der Weg zu einer Diktatur geebnet wird".

Evangelischer Bischof sieht Machtkampf zwischen Regierung und Bürgern

Schon zu Beginn der Proteste Anfang Februar hatte der Bischof der Evangelischen Kirche, Reinhart Guib, von einem Machtkampf zwischen Regierung und Zivilgesellschaft gesprochen. Es sei nötig, dass sich die rumänische Gesellschaft reformiere und humane und christliche Werte wie Freiheit und Toleranz, Gerechtigkeit und Verantwortung, Glauben und Nächstenliebe, Gemeinschaftssinn und Bürgermündigkeit, Bildung und soziales Engagement neu entdecke. 

Zurückhaltender äußert sich die Rumänisch-Orthodoxe Kirche, der rund 85 Prozent der Bevölkerung angehören. Das oberste Bischofsgremium, der Heilige Synod, hat Anfang Februar mit Blick auf die Massenproteste für den Rechtsstaat plädiert und zu Dialog und sozialer Mitverantwortung aufgerufen. Zudem spreche die orthodoxe Kirche von einer Gesellschaft, die sich an den Zehn Geboten orientiere, sagt Dörr. Darunter verständen alle derzeit das Gebot: "Du sollst nicht stehlen."

Die Evangelische Kirche A.B. hat rund 12.400 Mitglieder und vertritt hauptsächlich die deutschsprachigen Protestanten in Siebenbürgen und Bukarest. Auch der rumänische Präsident Klaus Johannis ist ein Siebenbürger Sachse aus Hermannstadt. Schlimm sei, dass besonders zwei regierungstreue Fernsehsender nun die deutsche Minderheit und auch den Präsidenten "als Nazi-Nachfolger verleumden", sagt der Theologe Dörr. Zudem behaupteten sie, dass der Evangelischen Kirche unrechtmäßig Immobilien zurückerstattet worden seien.