"Wo Heinrich 'Papst' schrieb, setzen die Brexit-Propagandisten 'EU-Kommission'", erklärte der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Damals wie heute gebe es die "Vorstellung, die Engländer würden schikaniert von einer übernationalen, intransparenten, politisch nicht legitimierten und nationales Recht brechenden Behörde auf dem Kontinent".
Auch in anderen europäischen Staaten würden heute angesichts von Zentralisierungstendenzen in der EU wieder Fragen gestellt, die bereits in der Reformationszeit anhand des Verhältnisses zwischen Einzelterritorien und dem Kaiser oder dem Papst aufgeworfen worden seien. "Gibt es eine gemeinsame Idee? Hat man einen Nutzen von ihr? Soll man ihretwegen Souveränität aufgeben?" Daher könne man "beim Blick in den fernen Spiegel der Reformationszeit erkennen", was in Europa zu berücksichtigen sei, wenn man gemeinsame Lösungen suche, sagte Claussen.
Parallelen zwischen der Reformationszeit und Konflikten innerhalb der EU sieht Claussen auch bei der Euro-Krise und dem Schuldenstreit zwischen Deutschland und südeuropäischen Staaten. So habe Martin Luther bei seinem Protest gegen den Papst die Ressentiments bedient, die damals "im Reich gegenüber Rom und den Italienern bestanden, welche 'uns das Geld abluchsen'", erläuterte Claussen.
Diese Mentalitäten seien bis heute präsent und bekämen "besondere Wucht, wenn ein Systemproblem wie der Euro moralisch traktiert" werde. Dann "schimpfen die Deutschen über die verschwenderischen Südeuropäer so, wie die Reformatoren gegen die päpstliche Prunksucht protestierten, während sich umgekehrt die Südeuropäer über die kulturlosen Krämerseelen im Norden kaum anders erregen als damals die vatikanischen Renaissance-Intellektuellen".