Die Manufaktur für den berühmtesten Stern der Welt hat das ganze Jahr Saison. Leimen, Falten, Kleben: Unter flinken Händen entsteht Zacke für Zacke für den "Herrnhuter Stern", mit seinem warmen Licht ein Klassiker der Weihnachtsdekoration. Claudia Bachmann und Michaela Tzschoppe schaffen zu zweit bis zu 3.500 Zacken an einem Tag.
Tzschoppe streicht den Leim auf den Papprahmen, Bachmann formt in einer metallenen Vorrichtung aus einem Kegel eine Zacke und drückt das Sternepapier am Rahmen fest. Die Arbeitsaufgaben im Duo der sogenannten Rähmchenkleber werden nur selten getauscht. "Was man immer macht, macht man am schnellsten", ist Tzschoppe sicher. Leimen, Falten, Kleben - 3.500 Mal am Tag.
Jeder Händler soll die Bedeutung des Sterns kennen
In der Herrnhuter Manufaktur werden pro Jahr rund 600.000 Sterne hergestellt. Seit der Gründung vor mehr als 100 Jahren entstehen sie in Handarbeit - zumindest die aus Papier. Bei den Kunststoffsternen, die 1982 ins Sortiment aufgenommen wurden, übernimmt das Formen der Zacken die Maschine.
Längst ist der Herrnhuter Stern zu einem sächsischen Markenzeichen geworden. Er leuchtet in den USA, in Kanada, in Island oder Schweden und natürlich in vielen deutschen Stuben. Sogar bis ins Bundeskanzleramt hat er es geschafft. Dort hängt - wie am Berliner Dom auch - ein Stern mit einem Durchmesser von 2,50 Metern. Diese Riesenexemplare sind Sonderanfertigungen, weltweit gibt es bisher nur sechs davon. Eine etwas kleinere Ausgabe wird am Samstag zum ersten Mal an der Berliner Marienkirche erstrahlen.
Der "Herrnhuter" fasziniert. Verkaufsleiter Jens Ruppert führt die Popularität des Sterns auf seine besonders schöne Ästhetik und seine Geschichte zurück. Zudem achte die Manufaktur darauf, dass der Stern "kein Massenprodukt wird". Beliefert werden nur Einzelhändler, nicht etwa Baumärkte. Die christliche Bedeutung der Ankunft des Jesuskindes in Bethlehem - das verkörpere der "Herrnhuter". Jeder der rund 1.800 Händler in ganz Deutschland und weltweit sollte die Bedeutung und die Geschichte des Sterns kennen und auch vermitteln, beschreibt Ruppert die Firmenphilosophie.
Nicht beliefert werde der asiatische Markt. Dort fürchten die Herrnhuter Sternemacher billige Kopien. "Wir möchten etwas Besonderes sein - trotz der großen Nachfrage", sagt Ruppert.
Es begann mit Geometrie
Der Herrnhuter Stern gilt als Ursprung aller Weihnachtssterne. Die ersten Exemplare aus Papier und Pappe bastelten Internatsschüler der evangelischen Herrnhuter Brüdergemeine Anfang des 19. Jahrhunderts. Damals wurden die Kinder der Missionare nach Hause geschickt, wenn sie das Schulalter erreicht hatten. Unter der Obhut der Brüdergemeine erhielten sie dann Erziehung und Bildung.
Um geometrisches Verständnis zu vermitteln, baute ein Mathematiklehrer Sterne mit den Missionarskindern. Sie hingen in der Advents- und Weihnachtszeit in den Internatsstuben und trösteten wohl auch ein wenig über die Trennung von den Eltern hinweg. Der erste Stern wurde vermutlich im Internat der Brüdergemeine in Niesky gefertigt, 50 Kilometer von Herrnhut entfernt. Fortan bastelten die Kinder stets am ersten Sonntag im Advent und trugen diesen Brauch in ihre Familien.
Im Jahr 1897 baute der Herrnhuter Geschäftsmann Pieter Hendrik Verbeek (1863-1935) den ersten stabilen, zusammensetzbaren Stern und verkaufte weitere in seiner Buchhandlung. 1925 meldete er schließlich das Patent an. Das Modell entspricht dem Stern in seiner aktuellen Form. Damals wie heute hat der echte Herrnhuter 25 Sternspitzen, 17 viereckige und sieben dreieckige. Eine Ecke - die 26. - bleibt frei für das Lampenkabel.
Traditionell werden die Herrnhuter Sterne in vielen christlichen Familien zum 1. Advent hervorgeholt und aufgehängt. Die 25 Zacken müssen an den Papprahmen von Hand zusammengeheftet werden - das bleibt die Bastelaufgabe bis heute. Denn stets wird der Stern in Einzelteilen geliefert. Für viele Nutzer ist das Zusammensetzen ein ganz besonderes Ritual und wird bewusst in der Gemeinschaft - meist von Eltern mit ihren Kindern - gepflegt und von Generation zu Generation weitergegeben.
Vollständig selbst gebastelt werden dagegen die großen Advents- und Weihnachtssterne für die Kirchsäle der Brüdergemeinden - und das mit deutlich mehr Zacken als bei den seriell gefertigten. Den Rekord soll ein Stern mit 182 Zacken halten. Im Herrnhuter Kirchsaal sind es immerhin 111 Zacken, die Gemeindemitglieder zusammengeklebt haben. Zerlegt werden wie ihre kleinen Geschwister aus der Manufaktur können diese Sterne allerdings nicht.