Deutsche Bischöfe warnen vor der Gefärdung der Demokratie durch Hasskommentare im Internet: Soziale Netzwerke drohten zu "asozialen Medien" zu werden, erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, am Mittwoch in seiner Predigt zum Buß- und Bettag in München. "Nicht mehr Verständigung ist das Ziel, sondern Verurteilung, Verdammung und manchmal richtig gehender Hass", sagte der bayerische Landesbischof. Menschen in öffentlicher Verantwortung, besonders Politiker, seien "Angriffen ausgesetzt, die nichts mehr mit demokratischem Diskurs zu tun haben".
Auch die katholischen Bischöfe von Berlin, Köln und Essen sehen die Entwicklung in den sozialen Medien kritisch: "Wer im Internet Menschen herabwürdigt, wer Hass sät, zu Gewalt oder Kampagnen gegen Andersdenkende aufruft, zerstört den demokratischen Konsens und die Debattenkultur in unserem Land", sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in einer Umfrage der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt". Deshalb hätten er und sein Bistum beschlossen "strafrechtlich relevante Kommentare künftig auch den zuständigen Stellen zuzuleiten".
Hasskommentare verbreiten sich "wie ein Virus"
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch erklärte: "Ich wurde angefeindet, wenn ich mich auch für nicht-christliche Flüchtlinge eingesetzt habe, aber auch für meine Teilnahme am Marsch für das Leben. Verbal geschossen wird auf jede Äußerung zum Thema Islam, Homosexualität und Populismus." Er versuche, die verbalen Attacken zur Kenntnis zu nehmen, ohne sie zu nahe an sich heranzulassen, fügte Koch hinzu.
"Mich ermutigen die vielen tausend Menschen, die sich in hervorragender Weise für Flüchtlinge engagieren", sagte der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki: "Ich würde mir wünschen, ihr Beispiel könnte mit dazu beitragen, dass wir allesamt offener, freundlicher und auch nachdenklicher miteinander umgehen."
Die drei katholischen Bischöfe reagierten auf jüngste Attacken gegen ihren Bamberger Kollegen, Erzbischof Ludwig Schick. Der Erzbischof hatte sich bei einem Gesprächsforum in Nürnberg zum Thema Bundespräsidenten-Wahl geäußert. Er hatte dort erklärt, dass ein von der Bundesversammlung gewählter Muslim als Bundespräsident vorstellbar sei. Schicks Äußerung war in den sozialen Netzwerken teils verkürzt und entstellt wiedergegeben worden und hatte vor allem auf rechtspopulistischen Seiten für harsche Reaktionen gesorgt. Per E-Mail erhielt der Erzbischof auch mehrere Morddrohungen.
Bedford-Strohm erklärte in seiner Predigt, Droh- und Urteilssprüche, die Menschen anderen entgegenschleuderten, hätten ein Ausmaß bekommen wie noch nie. Es habe schon immer Menschen gegeben, die anderen die Hölle an den Hals gewünscht hätten, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Doch heute würden solche Sprüche massenhaft wie ein Virus verbreitet. "Sie verbreiten sich wie Gift in einer Gemeinschaft, die wir 'soziale Medien' nennen, weil sie eigentlich dazu gedacht waren, Menschen in Kommunikation miteinander zu bringen." Was sich gegenwärtig auf vielen Internetseiten abspiele, habe damit aber nichts mehr zu tun.