Foto: epd/Jens-Ulrich Koch
Der obere Teil des Eisenacher Lutherdenkmals ist mit einem rosa Häuschen umbaut. Darin steht Luther im Bett.
Eisenacher Kunstwerk "Im Bett mit Luther" polarisiert
Ein ungewöhnliches Kunstprojekt spaltet Eisenach. "In Bed With Martin Luther" heißt es seit einigen Tagen in der beschaulichen Wartburgstadt. Das Projekt des japanischen Künstlers Tatzu Nishi wirbt für Toleranz - und polarisiert zugleich.

Am Donnerstag startet Thüringen in Eisenach in die Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum 2017. Leicht verspätet, wenn man an den Jahrestag des legendären Thesenanschlags denkt, den 31. Oktober 1517. Die offiziellen Feiern in Wittenberg, Berlin und im schwedischen Lund sind vorbei, doch im Kernland der Reformation beginnen sie bewusst erst mit Luthers populärem Geburtstag. Zudem Martini am Tag danach ein Festtag in vielen Orten ist, dem auch der real existierende Sozialismus nicht beikommen konnte.

So werden auch dieses Jahr in der Wartburgstadt die Massen zum Martinsumzug kommen. Nur, dass den fröhlichen Marsch im Schein der Laternen 2016 zwei Bischöfe anführen. Nach dem ökumenischen Festgottesdienst geht es von der Georgenkirche hinüber zum Karlsplatz, zum Lutherdenkmal. Richtiger müsste es heißen: zum Lutherhäuschen. Denn seit dem 16. Oktober hat dort der bronzene Reformator für drei Monate ein Dach über dem Kopf bekommen. Und ein Bett.

Keine Begegnung auf Augenhöhe

Seit 1895 steht er schon auf seinem Sockel. Doch mit der Ruhe ist es in der Stadt vorbei, seit Pläne bekanntwurden, das Standbild einzuhausen. "Was für ein Unsinn" und "was das kostet", war nicht selten zu hören. "So etwas können sich nur spinnerte Künstler ausdenken, ausländische dazu", heißt es von einigen.

Das Lutherdenkmal auf dem Eisenacher Karlsplatz ist bis 17. Dezember Teil eines Kunstprojekts. Unter dem Titel "Als dann flugs und fröhlich geschlafen (In Bed With Martin Luther)" können dort Besucher den Reformator in einem Schlafzimmer besuchen.


Luther im Bett ist ein Kunstprojekt. Erdacht von Tatzu Nishi aus Tokio, begleitet vom Berliner Alexander Ochs. Es ist Teil einer Ausstellungsreihe in Berliner Kirchen, der Neuen Synagoge und der Erlöserkirche in Jerusalem. Finanziert hat das Projekt "Als dann flugs und fröhlich geschlafen (In Bed With Martin Luther)" zur Hälfte das Berliner Kulturministerium, hinzu kommen regionale Förderer. Die Stadt selbst, so heißt es spöttisch, hat das Baustellenschild gezahlt.

Auf Gerüsttreppen geht es 26 Stufen zum rosa angestrichenen Haus hinauf. Über einen kleinen Flur kommt man in Luthers gute Stube. Sparsam möbliert mit einer Kommode und einem Sessel, einem Nachttisch und einem Beistelltischchen, ein arg abgewetzter Läufer bedeckt den Boden. Es gibt eine Lampe, Zeitschriften und ein paar Bilder an der Wand - alles Sachen, die Tatzu Nishi bei seinen Streifzügen durch Thüringen fand.



Doch nur die diszipliniertesten Besucher haben einen Blick für das gebrauchte Interieur. Oder stöbern in den zwei, drei Dutzend Büchern - wobei die Auswahl einen ganz eigenen Witz erzeugt, etwa "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand". Ansonsten dominiert der Hausherr die Szene. Von einer Begegnung auf Augenhöhe kann keine Rede sein. Zwar stehen alle im Raum mit ihren Füßen auf gleicher Höhe, doch geht Luthers Blick locker über seine Gäste hinweg. Immerhin sind 3,20 Meter Höhe auch aus der Nähe eine Wucht.

Dennoch gelingt, was der Künstler will: Luther wird von seinem Sockel geholt. Nicht irgendein Luther, sondern einer, wie ihn sich das Kaiserreich vorstellte - mächtig und stark, ein ganzer Kerl. Ein Vorbote des ersten weltweiten Mordens keine zwei Jahrzehnte nach der Einweihung des Denkmals.

Das Gemecker ist leiser geworden

Der historische Bezug ist dem Künstler und seinen Freunden wichtig, das Häuschen ein Statement für Toleranz. Doch selbst zur Einweihung vor drei Wochen waren am Rande der Vernissage böse Sprüche zu hören. Worte, die für Kurator Ochs an Rassismus heranreichen. Was einige Passanten während des Aufbaus so von sich ließen, habe ihn geschockt. Nicht nur seine Rede zur Eröffnung wird neben einigem Stolz auf das gelungene Projekt auch von einer guten Portion Trotz getragen.

Drei Wochen später ist das Gemecker leiser geworden, wenn auch nicht verschwunden. Die Besucherzahlen übertreffen indes alle Erwartungen. Es sind so viele, dass Luther inzwischen täglich statt nur mittwochs bis sonntags und schon ab 11 und nicht erst ab 14 Uhr empfängt. Sieben, acht, an den Wochenenden gar neun Hundertschaften, Einheimische wie Touristen, wollen das Denkmal im Bett stehen sehen.

Längst nicht allen gefällt es, wie ein Blick in das Gästebuch verrät. "Luther polarisiert", ist dort zu lesen - oder: "Mal was Anderes, die Leute kommen in Scharen und egal ob's gefällt oder nicht, sie diskutieren über Luther / mit Luther! Ziel erreicht." Das Signum ist unleserlich, die Botschaft dafür um so klarer.