Im Flüchtlingscafé Milena ist gerade Pause. Die Frauen, die hier vormittags Sprachunterricht haben, strömen aus den drei Unterrichtsräumen, es wird geredet und gelacht. Manche sind heute hier zum ersten Mal, es gibt Umarmungen und Begrüßungsküsse auf die Wangen. "Hallo, ich bin Halima, ich bin Schülerin hier", sagt eine Frau. Maneesorn Koldehofe, Leiterin des Mädchenbüros und Mitgründerin des Flüchtlingscafés in Frankfurt, hakt gleich ein: "Du bist hier nicht nur Schülerin. Du bist mehr!" Dass geflüchtete Frauen hier nicht nur als Hilfesuchende gesehen werden, ist schnell klar.
Ein Ort der Begegnung
Das Flüchtlingscafé Milenam, das es seit über einem Jahr gibt, bietet ganz praktische Hilfe: Es gibt Intensiv-Sprachkurse, Begleitung zu Ämtern und anderen Institutionen sowie individuelle Unterstützung, wenn es etwa darum geht, einen Kita-Platz zu finden, ein Konto zu eröffnen oder auch, wenn einfach ein Fahrrad geflickt werden muss. Gleichzeitig ist das Flüchtlingscafé ein Ort der Begegnung: Hier können sich die geflüchteten Frauen untereinander austauschen, über ihre Erfahrungen und ihren neuen Alltag in Deutschland reden.
Mitarbeiterinnen wie Ehrenamtliche arbeiten im Café Milena Hand in Hand zusammen mit den geflüchteten Frauen. Morgens wird erst einmal zusammen gefrühstückt und alle packen dabei mit an, denn "miteinander essen verbindet", sagt Koldehofe. Vielleicht liegt es an der Entstehungsgeschichte dieses Projekts, dass das Miteinander hier so selbstverständlich scheint.
"Wir entlassen niemanden mit einem Fragezeichen"
Das Flüchtlingscafé ist ein Projekt des Mädchenbüros, einer interkulturellen Einrichtung für benachteiligte Mädchen ab zehn Jahren in Frankfurt. Nach der Schule werden den Mädchen ein warmes Mittagessen, Hausaufgabenhilfe, Freizeitangebote und Unterstützung bei der Berufswahl geboten. Die Mädchen kommen oft über Jahre bis sie eine Lehrstelle oder einen Studienplatz haben. "Wir entlassen niemanden mit einem Fragezeichen", kommentiert Koldehofe, die das Mädchenbüro vor 20 Jahren gegründet hat.
Ohne Spenden und viele Ehrenamtliche könnte es das umfangreiche Angebot im Mädchenbüro und im Flüchtlingscafé Milena nicht geben. Neben Koldehofe gibt es nur zwei andere hauptamtliche Mitarbeiterinnen. Die jahrzehntelange Erfahrung von Koldehofe und ihren Helferinnen fließt jetzt in das neu gegründete Flüchtlingscafé mit ein, das übrigens die Idee der Mädchen aus dem Mädchenbüro war: "Sie wollten selbst geflüchteten Menschen helfen", sagt Oksana Frei, die seit über 15 Jahren zusammen mit Koldehofe das Mädchenbüro leitet.
"Ich hatte keine Erwartungen, ich wollte einfach helfen"
Dass ohne viele helfende Hände gar nichts geht, hat auch Anna Wegmann schnell gemerkt. Sie engagiert sich seit einem Jahr ehrenamtlich im Flüchtlingscafé und betreut vormittags die Kinder von geflüchteten Müttern, so dass die Frauen in Ruhe ihre Sprachkurse machen können. "Ich hatte keine Erwartungen, ich wollte einfach helfen", erzählt Wegmann. Am Anfang ist ihr vor allen Dingen die Herzlichkeit der Frauen aufgefallen. "Das hat mich sehr bereichert", fügt sie hinzu.
Und noch etwas hat sie bewegt: "Die Menschen bekommen ein Gesicht, man lernt die Geschichte hinter den Flüchtlingsschicksalen kennen." Als Mutter versetzt sich Anna Wegmann auch in die Situation der vielen geflüchteten Mütter, die regelmäßig ins Café kommen. "Wenn ich aus meinem Land geflüchtet wäre, würde ich auch darauf hoffen, dass mir jemand hilft." Gleichzeitig genießt sie auch den Austausch mit den anderen Ehrenamtlichen: "Mir tut es gut, dass ich hier Leute treffen, die auch helfen wollen."
Im Flüchtlingscafé Milena geht es jedoch nicht darum, die Geflüchteten mit Hilfsangeboten zu bevormunden. "Wer von Afrika bis hierher gelaufen ist, dem muss ich nicht permanent sagen, wo's langgeht", meint Koldehofe dazu. Unterstützung ist wichtig, aber dabei müssen auch die Wünsche und Vorstellungen der geflüchteten Frauen respektiert werden. Das müssen auch die ehrenamtlichen Helferinnen beachten. "Fitte Ehrenamtliche zu finden, ist eine Kunst", findet deswegen Koldehofe.
Anna Wegmann ist sich sicher, dass sie hier genau am richtigen Platz ist. Das ist nicht selbstverständlich, denn bevor man sich ehrenamtlich für einen längeren Zeitraum engagiert, sollte man sich in jedem Fall vorab damit auseinandersetzen, was man bereit ist zu tun. Wegmann hat dafür einige gute Tipps: Wichtig sei es, dass man etwas sucht, was einem liegt, wofür man sich begeistern kann und was man über einen längeren Zeitraum machen möchte. Und schließlich sollte man sich auch fragen "ob man mit den Leuten vor Ort gut klar kommt".
In der letzten Zeit, das haben Wegmann und die Mitarbeiterinnen beobachtet, haben sich die Gesprächsthemen der Frauen im Flüchtlingscafé Milena geändert. "Es geht jetzt immer mehr um Perspektiven, nicht mehr nur ums Ankommen", sagt Oksana Frei dazu. Deswegen werden jetzt auch Berufsberatung und Informationsveranstaltungen angeboten. Denn einfach ist der Einstieg ins Berufsleben in Deutschland nicht, auch wenn schon genügend Sprachkenntnisse vorhanden sind. "Alle Frauen wollen nicht nur ankommen, sondern auch weiterkommen in der Gesellschaft", so Frei. Die Chance dazu müsse man ihnen geben, denn "Integration funktioniert nur von beiden Seiten."