Papst Franziskus (re.) hat mit Kardinal Kurt Koch in der Kathedrale von Lund einen gemeinsamen Gottesdienst gefeiert.
Foto: epd-bild/Magnus Aronson/Ikon
Papst Franziskus (re.) hat mit Kardinal Kurt Koch in der Kathedrale von Lund einen gemeinsamen Gottesdienst gefeiert.
Gesten statt Worte
Franziskus feiert als erster Papst gemeinsam mit Lutheranern ein Reformationsjubiläum
Die meisten Lutheraner leben heute nicht mehr in Deutschland. Daher beging Papst Franziskus am Gründungsort des Lutherischen Weltbundes im schwedischen Lund das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation. Beide Seiten äußerten den Wunsch nach mehr Einheit.

Wenn Papst Franziskus an hohen Kirchenfeiertagen in den römischen Petersdom einzieht, schreitet er am Schluss der Prozession allein bis zum Hauptaltar unter dem vergoldeten Barock-Baldachin mit seinen geschwungenen Säulen durch das Hauptschiff. Zum Start der Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum in der altehrwürdigen Kathedrale von Lund war der Papst am Montag wie selbstverständlich nur einer von mehreren. Seite an Seite mit dem Präsidenten und dem Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Munib Younan und Martin Junge, folgte er einer vielfältigen Schar aus Männern und Frauen durch das Hauptschiff.

Nachdem sich Katholiken und Lutheraner 500 Jahre lang gegenseitig verurteilt und verhöhnt hatten, nahmen sie vor 50 Jahren einen Dialog auf, der 1999 zur historischen Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre führte. Dass sie gemeinsam Feiern zum Reformationsjubiläum gestalten, hätte sich noch unter Papst Benedikt XVI. niemand vorstellen können.

Franziskus ging einen Schritt weiter als seine Vorgänger

Wer erwartet hatte, das Franziskus sozusagen als Gastgeschenk wenigstens für gemischt-konfessionelle Paare gemeinsame Eucharistiefeiern zulässt, wurde notwendiger Weise enttäuscht. Zwar hatte Franziskus vor rund einem Jahr bei einem Besuch in der evangelisch-lutherischen Kirche in Rom die Entscheidung über die Teilnahme an Abendmahlsfeiern der jeweils anderen Konfession ins Ermessen der betroffenen Familien gestellt. Doch weder die vatikanische Glaubenskongregation noch der päpstliche Einheitsrat mochten diesen Schritt des Seelsorgers Franziskus theologisch unterstützen.

Zu groß sind aus katholischer Sicht noch immer die Unterschiede im Verständnis nicht nur der Eucharistie, sondern auch des Kirchen- und Amtsbegriffs. Darüber hilft auch das Verständnis für das Leiden der Betroffenen nicht hinweg, das Papst Franziskus und die Spitzen des Lutherischen Weltbunds in ihrer beim ökumenischen Gottesdienst in Lund unterzeichneten Erklärung äußerten.



Die Mühlen der theologischen Arbeit mahlen langsam, zu langsam für viele Protestanten, die nicht akzeptieren wollen, dass die Einladung zum Abendmahl von Katholiken zumindest offiziell nicht erwidert wird. Einen Fortschritt in der gegenseitigen Annäherung erzielten Papst Franziskus und seine lutherischen Partner in Lund jedoch, indem sie gemeinsam Verantwortung für die Kirchenspaltung übernahmen.

Franziskus ging indes bei der Anerkennung der lutherischen Kirchen auch mit Worten einen Schritt weiter als seine Vorgänger. In der aus dem 11. Jahrhundert stammenden Kathedrale von Lund mit steinernen Säulen des sagenhaften Riesen Finn aus den nordischen Mythen in der Krypta stellte er das religiöse Streben der katholischen und der lutherischen Kirchen auf eine Stufe. In seiner Predigt zur Reformationsgeschichte betonte Franziskus, trotz der Spaltung "gab es auf beiden Seiten den ehrlichen Willen, den wahren Glauben zu bekennen und zu verteidigen".

Munib Younan forderte gemeinsame Friedensbemühungen

Während Benedikt nur einzelne Elemente von Wahrheit in protestantischen Überzeugungen sah, sprach Franziskus nun von dem Bewusstsein, "dass wir uns in uns selbst verschanzt haben aus Furcht oder Vorurteilen gegenüber dem Glauben, den die anderen mit einer anderen Akzentuierung und in einer anderen Sprache bekennen". Bislang wurde der Reformator Martin Luther (1483-1546) auf katholischer Seite zwar wegen seiner Suche nach einem gnädigen Gott gewürdigt. Als gleichwertig mochte jedoch noch kein Vatikanvertreter die verschiedenen christlichen Konfessionen betrachten.

Eingedenk der Gelegenheit, Gemeinsamkeit zu demonstrieren und Franziskus nicht mit derzeit unerfüllbaren Forderungen vor den Kopf zu stoßen, erinnerte der LWB-Generalsekretär Martin Junge im Gottesdienst an Hass und Gewalt, die früher das Verhältnis geprägt hätten. Dass Christen schon heute gemeinsam aufgerufen sind, sich aus ihren Überzeugungen heraus gemeinsam für Arme und insbesondere Flüchtlinge einzusetzen, betonte LWB-Präsident Munib Younan. Als Sohn einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie forderte er gemeinsame Friedensbemühungen, für die kein gemeinsames Abendmahl nötig ist.

Auszüge aus dem "Gemeinsamen Wort zum Reformationsgedenken"

"(...) Durch Dialog und gemeinsames Zeugnis sind wir nicht länger Fremde. Vielmehr haben wir gelernt, dass das uns Verbindende größer ist als das Trennende.

Während wir eine tiefe Dankbarkeit empfinden für die geistlichen und theologischen Gaben, die wir durch die Reformation empfangen haben, bekennen und beklagen wir vor Christus zugleich, dass Lutheraner und Katholiken die sichtbare Einheit der Kirche verwundet haben. Theologische Unterschiede wurden von Vorurteilen und Konflikten begleitet und Religion wurde für politische Ziele instrumentalisiert. (...)

(...) Viele Mitglieder unserer Gemeinschaften sehnen sich danach, die Eucharistie in einem Mahl zu empfangen als konkreten Ausdruck der vollen Einheit. Wir erfahren den Schmerz all derer, die ihr ganzes Leben teilen, aber Gottes erlösende Gegenwart im eucharistischen Mahl nicht teilen können. Wir erkennen unsere gemeinsame pastorale Verantwortung, dem geistlichen Hunger und Durst unserer Menschen, eins zu sein in Christus, zu begegnen. Wir sehnen uns danach, dass diese Wunde im Leib Christi geheilt wird. Dies ist das Ziel unserer ökumenischen Bemühungen. Wir wünschen, dass sie voranschreiten, auch indem wir unseren Einsatz im theologischen Dialog erneuern. (...)

(...) Wenn wir uns wieder verpflichten, uns vom Konflikt zur Gemeinschaft zu bewegen, tun wir das als Teil des einen Leibes Christi, in den wir alle durch die Taufe eingegliedert worden sind. (...)

(...) Wir wenden uns an alle lutherischen und katholischen Gemeinden und Gemeinschaften, unerschrocken und schöpferisch, freudig und hoffnungsvoll bezüglich ihres Vorsatzes zu sein, die große Reise, die vor uns liegt, fortzusetzen. (...)