Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Justizdrama "Terror" für die ARD. Von links nach rechts: Lars Eidinger, Martina Gedeck, Florian David Fitz, Burghard Klaußner.
Foto: ARD Degeto/RBB/Julia Terjung
Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Justizdrama "Terror" für die ARD.
Leben gegen Leben
Die ARD zeigt den Film nach dem Erfolgstheaterstück "Terror" von Ferdinand von Schirach
Ein Theaterstück wird Fernsehfilm: "Terror" von Ferdinand von Schirach ist das Erfolgsstück der Saison. Nun hat die ARD daraus einen Fernsehfilm gemacht, ein Gerichtsdrama, das eine komplizierte Materie ernsthaft verhandelt.
14.10.2016
epd
Diemut Roether

In dem Stück des Juristen Ferdinand von Schirach, auf dem der ARD-Film "Terror" basiert, wird ein veritables Dilemma verhandelt: Eine Lufthansa-Maschine mit 164 Menschen an Bord wurde von einem Terroristen entführt. Der einer Splittergruppe des "Islamischen Staates" angehörende Terrorist zwang den Piloten, Kurs auf ein ausverkauftes Fußballstadion in München zu nehmen und war offenbar entschlossen, das Flugzeug über dem Stadion abstürzen zu lassen. Zwei Piloten der Luftwaffe versuchten vergeblich, das Flugzeug abzudrängen. Obwohl sie keinen Befehl erhielten, das Flugzeug abzuschießen, schoss ein Pilot dennoch. 164 Menschen kamen ums Leben, nun muss sich Major Lars Koch (Florian David Fitz als schneidiger Elite-Soldat), wegen Mordes vor Gericht verantworten.

Im Theater konnten die Zuschauer fast überall nach dem Stück abstimmen: Freispruch für den Piloten, der sich dem Befehl widersetzt hat, oder Schuldspruch? Der Gustav Kiepenheuer Verlag veröffentlichte eine Statistik, nach der die Theaterbesucher in 25 Theatern zu 59,5 Prozent für einen Freispruch stimmten. Der 90-minütige Film war am 14. Oktober vor der TV-Ausstrahlung in mehr als 150 Städten im Kino zu sehen - ebenfalls gefolgt von einer Abstimmung.

Menschenleben nicht gegen Menschenleben aufrechnen

Für das Fernsehen, das nach neuen Formen der Publikumsbeteiligung sucht, scheint dies der ideale Stoff zu sein. Das Erste sendet "Terror" mit dem Untertitel "Ihr Urteil" als "TV-Event" am 17. Oktober, und während die Zuschauer noch über Freispruch oder Verurteilung abstimmen, wird Frank Plasberg das Thema in seiner Sendung "Hart aber Fair" verhandeln. Plasberg wird in der Sendung auch das Ergebnis der Publikumsabstimmung mitteilen, anschließend wird die Begründung des Richters zu sehen sein.

Der Film verhandelt die komplizierte Materie sehr ernsthaft. Die Staatsanwältin (gespielt von Martina Gedeck) stellt entscheidende Fragen: Warum wurde das Stadion nicht geräumt, obwohl dafür noch Zeit gewesen wäre? Und sie fragt, ob für den Dienst in der Fliegerstaffel nur solche Männer ausgesucht werden, die im Zweifelsfall das Flugzeug auch ohne entsprechenden Befehl abschießen würden.

In der Verhandlung wird Bezug genommen auf das Luftsicherheitsgesetz von 2005, das in einem solchen Fall den Abschuss eines Passagierflugzeugs erlaubt hätte. Gegen dieses Gesetz legten die FDP-Politiker und Juristen Burkhard Hirsch und Gerhart Baum eine Verfassungsbeschwerde ein, das Bundesverfassungsgericht gab ihnen recht und kippte 2006 den entscheidenden Paragrafen.

Die Verfassungsrichter folgten der Argumentation der beiden Juristen: Menschenleben dürften nicht gegen Menschenleben aufgerechnet werden. Der damals amtierende Verteidigungsminister Franz Josef Jung kritisierte das Urteil und sagte, er würde in einem solchen Fall dennoch den Befehl zum Abschuss geben. Er berief sich dabei auf das Recht des "übergesetzlichen Notstands" - ein in der deutschen Rechtswissenschaft sehr umstrittener Ansatz.

Politiker Hirsch und Baum sind gegen den Film

All diese Argumente werden in dem Film erwähnt. Auch der Verteidiger des angeklagten Majors beruft sich auf den "übergesetzlichen Notstand". "Wir müssen begreifen, dass wir im Krieg sind", sagt er. Lars Eidinger spielt den Anwalt, der in diesem Prozess durch arrogantes Verhalten unangenehm auffällt. Es ist ein guter Kniff von Regisseur Lars Kraume, dem Major, der als Angeklagter per se die Sympathien auf seiner Seite hat, diesen durch seine Selbstherrlichkeit eher unsympathischen Anwalt zur Seite zu stellen.

Dennoch haben sich ausgerechnet die beiden Liberalen Hirsch und Baum schon vor Wochen in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gegen diesen Film ausgesprochen, der doch das von ihnen errungene Urteil behandelt. Hirsch kritisierte das "TV-Event" mit der vorgesehenen anschließenden Abstimmung des Publikums als "Effekthascherei mit einem Vorgang, bei dem es um die Menschenwürde und die Wahrung der Grundrechte, die Substanz der Bundesrepublik geht". Wir befänden uns nicht im Krieg, sagte Baum, "sondern wir bekämpfen Kriminelle".