Ein bisschen Frickelei mit den Kabeln, eine schrille akustische Rückkopplung, ein paar leise gemurmelte Worte in arabischer Sprache: Es dauert ein paar Minuten, bis Samah al Jundi ihr Mobiltelefon, ein Notebook und die Lautsprecheranlage des Museums Friedland richtig miteinander verbunden hat. Doch dann klappt es, und aus den Boxen schallt melodische syrische Popmusik.
Innerhalb weniger Augenblicke sind 15, 20, 25 Menschen auf der Tanzfläche - sie alle sind Flüchtlinge, die zurzeit im Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen leben. Frauen und Männer, Kinder, und Jugendliche fassen sich an den Händen, bilden einen Kreis und bewegen sich in einer Art arabischer Polonaise durch das Museumsfoyer. Einige von ihnen singen die Texte der abgespielten Stücke mit.
Flüchtlinge einladen, das Museum mitzugestalten
Bei der "Cellphone Discotheque" im Museum Friedland fungiert al Jundi als Organisatorin, Discjockey und Animateurin. Die Syrerin erzählt, wie die Veranstaltungsreihe anfing: Am Weltflüchtlingstag, als das Museum einen Tag der offenen Tür veranstaltete, fragten erstmals Flüchtlinge aus dem benachbarten Lager, ob sie die auf ihren Handys gespeicherte Musik im Foyer abspielen dürften. An diesem Spätnachmittag Mitte September verwandelt sich der Raum bereits zum dritten Mal in eine Diskothek.
In der Mitte der Tanzfläche dreht sich al Jundi. Sie winkt und klatscht und fordert damit alle, die noch sitzen, zum Mitmachen auf. Fast 100 Gäste, die meisten von ihnen sind Geflüchtete aus Syrien und dem Irak, drängen sich in dem viel zu kleinen Raum. Auf den Bänken an der Wand sitzen mehrere Mütter mit Babys auf dem Schoß, auch mehrere Alte im Rollstuhl haben sich herschieben lassen.
Das Museum Friedland war im März im historischen Bahnhof des Ortes eröffnet worden. Eine "Fluchtpunkt Friedland" betitelte Dauerausstellung dokumentiert auf einer Fläche von rund 350 Quadratmetern die wechselvolle Geschichte des 1945 errichteten Lagers. Die Museumsmacher wollen aber nicht nur die Schicksale von Flüchtlingen zeigen, sondern diese auch einladen, das Museum mitzugestalten.
"Wir öffnen unsere Türen für sie, strecken ihnen die Hand aus", sagt Kurator Joachim Baur. "Durch diese Arbeit wollen wir erfahren, was diese Menschen umtreibt, die unsere Nachbarn sind." Das Museum profitiere von der Zusammenarbeit: "Denn die Geschichten der Menschen, die hier ankommen, sollen Eingang finden in unsere Erzählung." Außer der "Cellphone Discotheque" bietet das Museum deshalb auch sogenannte Kreativ-Workshops und spezielle Führungen für Flüchtlinge an.
Im Foyer hat die gute Stimmung inzwischen fast alle erfasst. "Jetzt will ich auch tanzen", ruft Hagop Shahinian gegen die laute Musik an. Der syrische Christ aus Aleppo, der seit 2009 im Lager ehrenamtlich als Diakon tätig ist, springt auf und schiebt seinen massigen Körper mit erstaunlicher Eleganz über die Tanzfläche. Wer nicht tanzt, filmt oder fotografiert das Geschehen mit seinem Handy. Einige Flüchtlinge haben Gebäck und Limonade mitgebracht und auf einem Tisch ein kleines Buffet aufgebaut.
Unvermittelt dreht Samah al Jundi die Musik aus und macht eine Ansage. Mohamad Kol Koul, ein junger syrischer Kurde, greift zur Bouzouki, er spielt und singt ein melancholisches Lied aus den kurdischen Bergen. Ganz still wird es im Raum. Auch einige farbige Afrikaner und Aussiedler aus Kasachstan, die am Eingang stehen und sich nicht richtig in den Raum getraut haben, stellen ihre Unterhaltung ein und hören zu.