Im Grunde könne man bei allen rechten Parteien in Europa ähnliche Denkmuster finden. Sie seien extrem exklusiv, weil es um das vermeintlich zu bewahrende und zu schützende "Wir" einer Nation und eines Volkes gehe: "Beim Rechtspopulismus kommt zum vertikalen Gegensatz zwischen den Eliten oben und dem Volk unten noch der horizontale Gegensatz zwischen einem homogen imaginierten Volk, das für ein positives Image steht, und den nicht zum Volk gehörenden Menschen, die draußen bleiben sollen", erklärt der katholische Theologe Wolfgang Palaver von der Universität Innsbruck.
Es werden Sündenböcke gebraucht, Minderheiten, Flüchtlinge, Muslime, auf die man die eigenen Ängste projizieren kann. Wie bei anderen Rechtsparteien sei auch bei der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) auffällig, dass gerade christliche Symbole wie das Kreuz benutzt werden, sagt Palaver. Denn man stehe ja für die Verteidigung des christlichen Abendlandes ein. Dem aber dürften die Kirchen nicht ungerührt zusehen.
Der schottische Theologe Doug Gay plädiert dafür, in Gottesdiensten und Gemeindeversammlungen einem plumpen Nationalismus die christliche Botschaft einer offenen und pluralen Gesellschaft entgegenzusetzen. "Wir haben die Theologie der Taufe, mit der Christen bekennen, dass Wasser dicker ist als Blut. Damit begegnen wir jedem Imperialismus, der andere Nationen beherrschen möchte. Wir begegnen damit jeder Ideologie, die eine Nation allein nach der Blutzugehörigkeit, dem "ius sanguinis", dem Recht des Blutes definieren will. Wir sind eine heterogene gemischte Gesellschaft, von Gott geliebte Geschöpfe. Jede Ideologie einer vermeintlich reinen Rasse ist der christlichen Theologie fremd", sagt der presbyterianische Pfarrer aus Glasgow. Er plädiert dafür, den Nationalismus nicht rechten Strömungen zu überlassen. Vielmehr sollten die Kirchen dazu beitragen, den Begriff der Nation positiv und liberal zu füllen. Andererseits sollte man die Ängste der Wutbürger und Protestwähler auf keinen Fall ignorieren oder gar verteufeln. Vielmehr sollten Kirchengemeinden die Stimmungen in der Bevölkerung wahrnehmen und diese auch thematisieren.
Umgang mit Rechtspopulisten: eine Frage der Seelsorge
"Jede Auseinandersetzung hat auf Präzision zu achten, dass nicht jede vermeintlich rechtspopulistische Position gleich das volle Paket von harter völkischer Ideologie hat und dass auch nicht jede Irritation über die Bundesregierung nur von Rassismus motiviert ist", rät Sozialwissenschaftler Henning Flad von der Diakonie Deutschland, der auch in der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus mitarbeitet. "Innerhalb der Kirchengemeinden gilt: diskutieren, diskutieren, diskutieren! Wir können Ressentiments nicht argumentativ bearbeiten, wenn sie nicht offen auf dem Tisch liegen. Wir brauchen eine angstfreie Atmosphäre, damit die Leute auch tatsächlich sagen, was sie denken", fordert Flad.
Für den Innsbrucker Theologen Wolfgang Palaver ist der Umgang mit AfD, FPÖ und den anderen Rechtspopulisten Europas geradezu eine Frage der Seelsorge. Denn es gehe um fundamentale Ängste, letztlich Todesängste, die auch die große Emotionalität bei den Demonstrationen der rechten Parteien verstehen lassen könnten. Eine Erklärung liefere da die Terror-Management-Theorie des 1974 verstorbenen Sozialanthropologen Ernest Becker: "Es braucht die Fähigkeit, mit dem Tod in nicht-destruktiver Weise zu leben. Es gibt zwei Muster, mit dem Tod umzugehen. Das eine ist Schwarz-Weiß, man identifiziert sich mit einer absoluten Wahrheit, mit einem Stammesdenken, einem "Wir gegen die anderen". Das zweite Muster hält Ambivalenzen aus, hält Unsicherheiten aus, behauptet nicht den Besitz der Wahrheit, sondern sieht auch andere mögliche gute Wege", sagt Palaver. Die Kirchen müssten eben Orte eines nichtdestruktiven Umgangs mit der Angst sein, bunt und vielfältig gegen eine zu einfache Schwarz-Weiß-Sicht, die eine demokratisch-liberale Gesellschaft letztlich kaputt mache, wenn sie dominiere.
Vielfältige Anregungen also, die die Teilnehmer der Tagung in ihre Gemeinden mitnehmen können. Für den Ravensburger Pfarrer Stefan Brückner ist zumindest klar, dass sich die Kirche nun dringend um das Phänomen des Rechtspopulismus kümmern muss. Nur bezweifelt er, mit den neuen Wutbürgern überhaupt ins Gespräch kommen zu können: "Ich bin verärgert, dass diese anti-islamischen Parolen von Leuten kommen, die am Sonntagmorgen ihre Brötchen kaufen, statt in die Kirche zu gehen und sich um Kirche wenig kümmern. Aber trotzdem tragen sie das Kreuz groß vor sich her. Ich kann mit denen nichts machen, weil ich die gar nicht erreiche."