Frau Hayali, Sie sind dank Ihres Engagements gegen Rassismus innerhalb relativ kurzer Zeit zu einer der prominentesten TV-Journalistinnen des Landes geworden. Freuen Sie sich über Ihre große Popularität?
Dunja Hayali: Klar freue ich mich, wenn meine Arbeit bei den Zuschauern ankommt und das Publikum sie wertschätzt. Nur geht es in meinem Job ja nicht um Beliebtheitswerte, sondern darum, guten Journalismus abzuliefern, und das heißt: berichten, einordnen, erklären und den Finger in die Wunde legen.
Inmitten der Glaubwürdigkeitskrise der Medien stehen Sie für glaubwürdigen Journalismus. Was machen Sie denn anders als die anderen?
Hayali: Ich kann natürlich nicht für andere Medien sprechen, sondern nur für meine Arbeit und in Teilen für mein Team. Die Transparenz und der direkte Zugang auf Facebook, bei Twitter und in Emails waren da sicherlich ein wichtiger Schritt. Die Menschen haben nun mal viele Fragen an uns Journalisten. Dabei geht es oftmals um Inhaltliches, aber auch ums Handwerk, wie etwa Abläufe, Themenfindung, Interviewführung. Ich gestehe auch ein, wenn wir Fehler gemacht haben, oder wenn ich persönlich mal kein gutes Interview geführt habe. Schonungslose Ehrlichkeit fängt bei einem selber an.
Wächst Ihnen die Flut von Anfragen, etwa bei Facebook, nicht über den Kopf?
Hayali: Es sprengt mittlerweile wirklich mein Zeitpensum. Das ist für Menschen, die auf Antwort von mir warten, vielleicht nicht immer ganz nachvollziehbar, aber ich verbringe bereits täglich mehrere Stunden mit Facebook, Twitter und Co., zusätzlich zu meinem regulären Job beim Moma. Und der hat, das muss klar sein, Priorität. Für den "Donnerstalk" gibt es aber nun ein kleines Social-Media-Team, das hilft, Anfragen zu beantworten. Aber wo Hayali drauf steht, ist auch weiterhin Hayali drin. Es wird also klar sein, wer die Antwort verfasst hat. Das gehört zur Transparenz dazu.
Neulich sorgten Sie für Aufsehen, als Sie einen beleidigenden Brief öffentlich machten und ganz sachlich korrigierten. Wie viele solche negativen Zuschriften bekommen Sie täglich?
Hayali: Wäre es nicht die interessantere Frage, wie viele positive Zuschriften ich bekomme? Wir alle legen den Fokus viel zu sehr auf das Negative. Natürlich müssen wir solche Dinge publik machen, das muss durchdiskutiert und benannt werden. Aber 90 Prozent des Feedbacks, das ich bekomme, ist konstruktiv und respektvoll – das fällt zu sehr unter den Tisch. Wir als Gesellschaft müssen da aufpassen. Die Stimmung ist in Teilen sehr negativ, und das hängt auch damit zusammen, dass wir immer über das berichten, was nicht läuft, was scheitert. Damit meine ich absolut nicht, dass wir Dinge schönreden sollen, aber wir dürfen dabei das Gelingen nicht vergessen.
"Journalisten müssen sich in diesem Land frei bewegen können"
Dann machen Ihnen all die Hassmails gar keine Angst?
Hayali: Sie sehen mich kämpferisch, immer noch mit offenem Visier und frohen Mutes. Ich betrachte mich nicht als Opfer. Aber ich frage mich natürlich schon: Was macht dieser Hass mit uns?
Die Frage ist doch: Was macht er mit Ihnen?
Hayali: Er hat Einfluss auf mein Leben, ganz klar: Ich gucke auf der Straße bewusster hin, wer mir entgegen kommt, und das ist keine gute Entwicklung. Ich finde es auch befremdlich, dass ich Personenschutz brauche, wenn ich zu einer AfD-Demo oder zu einer Antifa-Demo gehe. Journalisten müssen sich in diesem Land, in dem die Meinungs- und die Pressefreiheit ein hohes Gut ist, frei bewegen können, ohne angegriffen zu werden.
Was können die Medien tun, um den Riss in der Gesellschaft zu kitten?
Hayali: Den gesellschaftlichen Zusammenhalt müssen wir gemeinsam stärken. Medien sind da nur ein Puzzlestück. Unsere Hauptaufgabe als Journalisten ist es, sachlich und objektiv zu berichten, einzuordnen, Missstände und auch Gelungenes aufzuzeigen. Medien müssen versuchen, immer alle Seiten zu beleuchten, auch damit die Zuschauer Orientierung haben. Wenn uns das gelingt, wäre das ein kittendes Element, um den Riss zu verkleinern. Aber am Ende ist es doch die Politik, die für Lösungsansätze, pragmatisches Handeln im Hier und Jetzt und für Zukunftsvisionen verantwortlich ist.
Dieses Interview wurde am 28. Juli 2016 auf evangelisch.de veröffentlicht.